Investieren in Zeiten der Inflation
Die Inflation ist wieder zurück. Eine Zeitenwende auch für die Kapitalanlage. Um das Zusammenspiel von Rendite und Inflation besser zu verstehen, werden die Renditen unterschiedlicher Anlageformen in unterschiedlichen Inflationsregimen betrachtet. Ein Augenmerk liegt dabei auf Aktien.
Abbildung 1: Ein Überblick über die weltweiten Inflationsraten (anhand von 76 Ländern)
Quelle: AllianzGl Global Capital Markets & Thematic Research, Refinitiv Eikon Datastream, Stand: April und Mai 2022
Nominal vs. real und der Kampf um den Kaufkrafterhalt
Zwar liegen die Nominalrenditen in weiten Teilen der Welt zum überwiegenden Teil wieder über der Nullgrenze, aber das sind eben nur die nominalen Renditen. Entscheidend sind die Realrenditen – also das, was bei der Kapitalanlage übrigbleibt, wenn über den Anlagezeitraum die Inflation an den Erträgen und der Investition knabbert.
Hier zeigt sich in allen großen Anlageregionen das gleiche Bild: Werden von den aktuellen Anleiherenditen über Laufzeiten von drei Monaten bis 30 Jahren die in der jeweiligen Region vorherrschenden Inflationsraten abgezogen, ergeben sich fast ausschließlich negative Realrenditen. Zugegeben: Es ist kaum anzunehmen, dass die Inflationsraten auf derzeitigen Niveaus verharren.
Wo also sein Geld investieren? Ein erstes Zwischenfazit lässt sich schon einmal ziehen: Durch das Wiedererwachen der Inflation sollte der Kaufkrafterhalt die unterste Grenze des Renditeziels sein. Es geht darum, sich mit 100 Euro heute auch morgen noch denselben Warenkorb leisten zu können. Wo heute 100 Euro draufstehen, sind nach Inflation morgen einfach nicht mehr 100 Euro drin. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Angenommen jemand besitzt heute 100 Euro. Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2 % p. a. bekommt er dafür in 10 Jahren nur noch einen Gegenwert von ca. 86 Euro. In 20 Jahren ist die Kaufkraft auf knapp 75 Euro gesunken. Das kann nicht das Ziel einer Kapitalanlage sein (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: Kaufkraftverlust - Simulation
Quelle: AllianzGl Global Capital Markets & Thematic Research.
Strukturelle Treiber der Inflation
Nach vorne blickend sollte die aktuelle, starke Inflation (Sommer 2022) nicht einfach fortgeschrieben werden. Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise sind deutlich gestiegen, auch in Folge der Invasion in der Ukraine, die insbesondere die Öl- und Gaspreise angefacht hat. Hinzu kommen ein Gemisch aus expansiven Geld- und Fiskalpolitiken als Antwort auf die Corona-Pandemie sowie die ausgelasteten Arbeitsmärkte, … Faktoren, die nicht auf Dauer anhalten dürften. Aber es sprechen eine Reihe von Faktoren dafür, dass die Inflationsraten rund um den Globus strukturell erhöht bleiben:
Lehren der Vergangenheit
Mit Inflation ist also auch in Zukunft zu rechnen. Aber: Welche Anlageformen reagieren wie in Zeiten erhöhter Inflation? Um das zu beantworten, wurde für unterschiedliche Anlageformen untersucht, wie diese in sehr unterschiedlichen Inflationsregimen von 1971 bis heute reagiert haben. Da es um die Frage nach dem Werterhalt geht, wurden alle Renditen um die Inflation bereinigt, also als reale Renditen ausgewiesen. Bei den Inflationsregimen wurde in Zeitphasen unterschieden, während derer sich die durchschnittlichen Inflationsraten zwischen 2 – 4 %, 4 – 6 %, 6 – 8 % und über 8 % bewegten. Generell zeigt sich, sowohl kurz als auch länger laufende Staatsanleihen hatten es schwer, eine positive Realrendite zu erzielen. Dies schafften sie in der Vergangenheit nur, wenn die Inflationsraten die 6 % nicht überschritten. US-Unternehmensanleihen hatten es da schon leichter: Sie konnten auch bei Inflationsraten bis zu 8 %, wenn auch geringe, so doch positive Realrenditen erzielen.
Bei Aktien wird vermutet, dass diese in inflationärem Umfeld bessere Rendite bringen als die inflationssensiblen Anleihen. Tatsächlich zeigt sich, Aktien verloren bei Inflationsraten über 6 % real betrachtet an Boden, stärker sogar als Anleihen. Dafür performten sie in einem inflationären Umfeld, das darunter lag, deutlich besser. Bei Inflationsraten von 2 – 4 % schafften US-amerikanische Aktien knapp 10 % Rendite p. a. Eine globale Aktienanlage (gemessen in US-Dollar) kam sogar auf knapp 11 % p. a. Und das nach Abzug der Inflation. Stieg diese auf eine Bandbreite zwischen 4 – 6 % wurden in beiden Fällen noch Nach-Inflations-Renditen von knapp 6 % bzw. leicht mehr als 5 % erzielt. Das legt nahe, dass Unternehmen in einem Umfeld moderater bis erhöhter Inflationsraten die Preise zumindest weitergeben, die Margen also stabil halten oder – je nach Sektor und konjunkturellem Umfeld – sogar ausweiten können.
Rohstoffe, deren Preisanstieg häufig hinter der Inflation steht, sowie auch Edelmetalle profitierten von hohen Inflationsraten geradezu (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Durchschnittliche jährliche Realrenditen für Kapitalanlagen
Quellen: Allianz Gl, Global Financial Data, Refinitiv, alle Angaben Stand: 4/2021. Legende: Inflationsüberraschungen werden als Veränder- ung der Inflation (gg. Vj.) >0% definiert; die Zahlen stellen die arithmetischen Durchschnittswerte der Renditen für die Zeiträume in den jeweiligen Inflationsbändern und den Anstieg der Inflationsraten gegenüber dem Vorjahr dar. Die frühere Wertentwicklung lässt nicht auf zukünftige Renditen schließen. Wenn die Währung, in welcher die frühere Wertentwicklung dargestellt wird, von der Heimatwährung des Anlegers abweicht, sollte der Anleger beachten, dass die dargestellte Wertentwicklung aufgrund von Wechselkursschwankungen höher oder niedriger sein kann, wenn sie in die lokale Währung des Anlegers umgerechnet wird.
Dieser vermeintliche Vorteil von Rohstoffen und Edelmetallen kehrte sich in der Vergangenheit jedoch genau in sein Gegenteil um, wenn die Inflationsraten wieder fielen. Besonders Edelmetalle gerieten unter die Räder. Dabei scheint die Faustregel zu gelten: Je stärker zuvor die Inflationsraten waren, desto stärker waren bei Rückgang der Inflation auch die Verluste – real.
Aktien wie auch Anleihen schlugen sich dagegen sehr gut. Lediglich bei Inflationsraten, die über 8 % lagen, kam es hier und da zu realen Verlusten. Für Anleihen sind die Ergebnisse geradezu idealtypisch: Sinken die Inflation bzw. die Inflationserwartungen, kann sich auch der Teil der Anleiherendite, der die Anleger für die Inflation entschädigt, reduzieren. Ceteris paribus sinkt die Nominalrendite, die Anleihekurse steigen in der Folge.
Fazit
- Die rein historische Betrachtung der Realrenditen zeigt: Sachwerte, zu denen Aktien als Beteiligungen an Unternehmen gehören, haben sich auch bei höheren Inflationsraten gut geschlagen, während Anleihen zu kämpfen hatten.
- Rohstoffe und Edelmetalle schnitten – gemessen an der Realrendite – besonders gut ab, mussten aber diesen Vorteil in Phasen des Inflationsrückgangs wieder abgeben.
- Nach vorne blickend legt dies Investoren, die sich auf Inflation einstellen wollen, nahe, Aktien in Betracht zu ziehen. Rohstoffe wie Edelmetalle bieten sich ebenfalls an, wobei hier Kursverluste nach Abklingen der inflationären Phase nicht außer Acht zu lassen sind.
- Bleibt zu betonen, dass es sich hier um eine rein auf historischen Daten beruhende Studie handelt, die weder eine Blaupause für die Zukunft sein kann, noch die aktuellen Umstände in den Volkswirtschaften und an den Kapitalmärkten berücksichtigt.
1 Vgl. Bullard, J.; 2018; „What is the Best Strategy for Extending the U.S. Economy’s Expansion?”; Rede vor der CFA Society Chicago.
Reaktionsfunktion der Zentralbanken
Die Reaktionsfunktion einiger Zentralbanken hat sich verändert. Die US-Fed gibt den Weg vor: Statt einer Obergrenze für die Inflation, die nicht überschritten werden soll, darf die Inflation jetzt um diese Obergrenzen fluktuieren, also sowohl nach oben als auch nach unten davon abweichen. Das macht nicht nur die Prognose der Geldpolitik schwieriger, sondern spricht für eine insgesamt laxere Geldpolitik.
Fiskalische Dominanz und Fragmentierung der Anleihemärkte
Gleichzeitig lasten die hohen öffentlichen Schulden auch auf der Geldpolitik. Die Rede ist von der „fiskalischen Dominanz“: Den Zentralbanken sind die Hände gebunden, wenn es um Zinsanhebungen geht. Denn wenn in der Folge auch die Renditen steigen, haben so manche öffentlichen Haushalte Schwierigkeiten mit der Finanzierung. Exemplarisch zeigt sich das an der Ansage der EZB, sie wolle gegen eine „Fragmentierung“ der Anleihemärkte im Euroraum vorgehen. Das heißt nichts anderes, als die Risikozuschläge von höher verschuldeten Ländern gegenüber der deutschen Benchmarkanleihe einengen zu wollen. Die Finanzierung von Ländern mit schlechterer Bonität wird erleichtert, jene für Länder mit besseren Schuldenständen in der Folge erschwert.
Expansive Geldpolitik
Die expansive Geldpolitik, welche zu einer Aufblähung der Zentralbankbilanzen führte, dürfte nicht ohne Folgen für die (Vermögenspreis-)Inflation bleiben – ein später Sieg des auf den Ökonomen Milton Friedman zurückgehenden „Monetarismus“, welcher besagt, die Geldmenge treibe mittel-/langfristig die Preise.
Langfristige Inflationserwartungen
Die langfristigen Inflationserwartungen haben sich gedreht. Schien die Inflation lange totgesagt, ja wurde sogar eine säkulare Stagnation mit Deflation im Gefolge diskutiert, so haben sich die Zeichen umgekehrt. Die Inflation(serwartungen) aber nähren die Inflation.
Demografie
Die Demografie bewegt sich im Rückwärtsgang: 2013 war das Jahr, in dem erstmals in den Industriestaaten (in Japan war dies schon früher feststellbar) mehr Menschen den Arbeitsmarkt verließen als neue hinzukamen. Das Arbeitskräftepotenzial nimmt ab. Damit wird der Faktor Arbeit teurer. Eine Entwicklung, die von der Corona-Pandemie noch begünstigt wurde. Gerade in den USA sind viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden und nicht mehr zurückgekommen, obwohl sie das Rentenalter noch nicht erreicht haben.
Immobilienpreise
Die gestiegenen Immobilienpreise dürften auch steigende Mietpreise nach sich ziehen. Die (kalkulatorischen) Kosten für selbstgenutzten Wohnraum sind ebenfalls gestiegen.
De-Globalisierung
Die De-Globalisierung, die sich bereits in einer rückläufigen Tendenz des Welthandels relativ zum globalen Bruttoinlandsprodukt zeigt, fordert ihren Preis. Standortvorteile und Skalenerträge können weniger genutzt werden. Die Rückverlagerung von Produktion in die Industrieländer erhöht die Kostenbasis.
Trendwachstum
Ein gedämpftes Trendwachstum führt bei den Volkswirtschaften zu einer schnelleren Schließung der Output-Lücken. Bei rascher ausgelasteten Kapazitäten steigt der Preisdruck.
Klimawandel
Last not least: Der Kampf gegen den Klimawandel. So wichtig und vielversprechend (!) die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und der Übergang zu „Grünem Wachstum“ auch sind, dies dürfte durchaus eine „Greenflation“ im Gepäck haben. Das erwartet u. a. auch das „Network for Greening the Financial System“ (NGFS; ein Netzwerk an Zentralbanken, die sich zum Kampf gegen den Klimawandel zusammengeschlossen haben).