Update Magazin I/2023

Der Ruck Richtung Zukunft

Die Infrastruktur wandelt sich in vielen Facetten – von Privatisierung über Digitalisierung bis zur Energiewende. Nun müssen gezielt die Weichen gestellt werden, um nicht auf das Abstellgleis zu geraten.


Update Magazin I/2023
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Können Sie sich noch an das Ende der 90er-Jahre erinnern? Die Verkaufszahlen von CDs zogen an denen der LPs vorbei, der damals kälteste Punkt des Universums wurde entdeckt – immerhin minus 270 Grad – und der Komet Hale-Bopp zog an der Erde vorbei. Es war aber auch eine Zeit der Erneuerung. Denn Europa musste sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs neu orientieren und aufstellen.

Tatsächlich beschleunigte sich, bedingt durch EU-Regelungen, Budgetdruck und auch die Neuordnung einiger postsozialistischer Staaten ab den 90er-Jahren, die Privatisierungswelle in Europa. Ehemalige infrastrukturnahe Staats- und Kommunalunternehmen wie zum Beispiel Wasser- und Stromversorger, Schienenverkehr oder aus dem Telekommunikationsbereich wurden seitdem an die Börse gebracht oder öffneten ihr Eigenkapital für strategische Partner. Nicht alle Privatisierungen waren erfolgreich, auch wenn mehr Wettbewerb aufgrund des Konkurrenzdrucks häufig zu besseren Ergebnissen und mehr Service geführt hat.

Die Finanzkrise zehn Jahre später läutete den Beginn des Niedrigzinsumfeldes ein und führte zum endgültigen Aufstieg der alternativen Anlagen. Allein in Deutschland werden laut BAI Investor Survey 20221 derzeit durchschnittlich 23 Prozent der Vermögenswerte von institutionellen Anlegern in alternativen Anlageklassen investiert. Anlagen in Infrastruktur haben sich im letzten Jahrzehnt besonders dynamisch entwickelt und sich seit 2010 versiebenfacht. Auch wenn sich das Wachstum angesichts des momentanen volatilen Umfeldes verlangsamt: Zwischen 2019 und 2025 rechnet das Analysehaus Preqin für Europa mit einem jährlichen Anstieg des in „Alternatives“ verwalteten Vermögens von 5,4 Prozent.2 Und schon jetzt flossen zuletzt jedes Jahr gut 85 Milliarden Dollar Investorengelder in Infrastruktur.3

ÖPP als Option?

Auch wenn sich in Deutschland gezeigt hat, dass der Staat nicht unbedingt erfolgreicher im Management von Infrastruktur agiert, steht man hierzulande öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) immer noch eher skeptisch gegenüber. Andere Länder sind da offener. In Großbritannien zum Beispiel, wo die Allianz gemeinsam mit anderen langfristigen Eigenkapitalgebern in den 4-Milliarden-Pfund-Neubau des Abwasserkanals von London investiert hat, werden Großprojekte häufig von privaten Anlegern finanziert und betrieben, und das bei entsprechender Strukturierung mit klarem Anreiz, die Kosten für die Endkunden so niedrig wie möglich zu halten.

Laut einer Studie der Global Infrastructure Investor Association4 sind nur knapp 40 Prozent der Befragten aus den G8-Ländern mit der Infrastruktur in ihrem Land zufrieden. Das wird auch durch die Zahlen des OECD-Wirtschaftsberichts von 2020 untermauert, laut denen die Quote der öffentlichen Investitionen in Deutschland unter dem OECDDurchschnitt liegt.5 Die EU wiederum hinkt ihrerseits zum Beispiel in Sachen Verkehrsinfrastruktur weltweit hinterher.6

Auch wenn die Investitionen gestiegen sind, wird es voraussichtlich nicht reichen, um nach Jahren der Unterinvestition den Investitionsstau überwinden zu können.

Faktoren wie auf der einen Seite steigende Haushaltsdefizite, eine zunehmende Staatsverschuldung nach zwei Jahren der Pandemie und höhere Zinsen, auf der anderen Seite gestörte Lieferketten, Energiekrise und Ressourcenmangel werden Innovationsfähigkeit und Investitionsbedarf in Infrastruktur herausfordernd gestalten. Eine funktionierende moderne Infrastruktur ist aber essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, insbesondere vor dem Hintergrund der rasanten Digitalisierung und der Herausforderungen – und Chancen – der Energiewende. Staatliche und private Akteure sind gefragt, bei der Gestaltung der Infrastruktur Europas an einem Strang zu ziehen.

Gerade in der Pandemie wurde jedem die ganze Bedeutung kritischer Infrastruktur vor Augen geführt.

Prüfstein Pandemie

Gerade in der Pandemie, als gefühlt von einem Tag auf den anderen ganz Europa in den Lockdown und nach Hause geschickt wurde, wurde jedem die ganze Bedeutung kritischer Infrastruktur vor Augen geführt. Diese Ausnahmesituation hat aber auch gezeigt, wie Investoren ihrer Verantwortung als „Asset Owner“ gerecht wurden. Auch wenn das ganze Land stillstand, haben Energieversorger, Verkehrsbetriebe und auch Stromnetzbetreiber flexibel und schnell auf die Situation reagiert und diese gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie privaten Anteilseignern gemeistert.

Die Pandemie hat allerdings auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Resilienz verschiedener Infrastrukturanlagen offenbart. So waren der Flugverkehr wie auch die Nutzung von Autobahnen und öffentlichen Verkehrsmitteln sehr stark zurückgegangen und sind immer noch nicht auf das Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt. Im Gegensatz dazu hat sich gerade kritische Infrastruktur wie zum Beispiel Strom-, Wasser-, aber auch Telekommunikationsnetze während der langen Pandemie als sehr widerstandsfähig erwiesen und somit das Interesse an Infrastruktur als Anlageklasse weiter verstärkt. Im vergangenen Jahr, das mit der höchsten Inflation seit vielen Jahren einherging, ist außerdem ein weiteres attraktives Merkmal vieler Infrastrukturanlagen in den Vordergrund gerückt, das in der Boom- und Niedrigzinsphase der zurückliegenden 15 Jahre weniger Beachtung fand: der häufig bestehende Inflationsschutz, resultierend aus den regulatorischen Rahmenbedingungen, den bestehenden oft langfristigen Verträgen oder auch den spezifischen Geschäftsmodellen. Entsprechend argumentiert beispielsweise ein Strategiepapier von Goldman Sachs7, dass Anleger eine Erhöhung ihrer Allokation in Sachwertanlagen in Erwägung ziehen sollten, da sich diese auch in vergangenen Stagflationsperioden als robust erwiesen und einen signifikanten realen Renditebeitrag erbracht haben.

In der Pandemie wurde aber auch offensichtlich, wo besondere Defizite im Bereich Infrastruktur bestehen. Das zu ändern, daran führt kein Weg vorbei. Immerhin haben die zwei Pandemiejahre den Wandel hin zu digitaler Kommunikation beschleunigt und zu einer Veränderung des Verhaltens geführt: Homeoffice ist mittlerweile in vielen Unternehmen Teil der Unternehmenskultur geworden, Videokonferenzen haben sich als effiziente Alternativen beziehungsweise Ergänzungen zu physischen Meetings etabliert und Streamingdienste haben in jedem Wohnzimmer Einzug gehalten.

Immer mehr institutionelle Anleger engagieren sich daher in Projekten zum Ausbau von Glasfasernetzen, zur Verbesserung der Mobilfunkabdeckung und zum Aufbau von Rechenzentren, die möglichst ihren Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien decken. Auch die Allianz investiert mehrere Milliarden Euro in den Ausbau von Glasfasernetzen in Deutschland, Österreich und Frankreich mit dem Schwerpunkt auf dem unterversorgten ländlichen Raum.

Versorgungssicherheit im Blick

Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist mehr denn je die Energiewende in den Fokus gerückt und damit auch die Frage nach Deutschlands, aber auch Europas zukünftiger Energieinfrastruktur. Neben der Energiewende spielt dabei auch die Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle. Wie diese Transformation unter den aktuellen Bedingungen, steigenden Energiekosten und hohen Inflationsraten, möglichst schnell umgesetzt werden kann, ist eine der größten Aufgaben, die wir heute bewältigen müssen. Eines steht jetzt schon fest: Mit der Infrastruktur von heute werden wir die Energiewende nicht schaffen können.

65 Milliarden Euro im Jahr

So groß ist die jährliche Investmentlücke allein für das Elektrizitätsnetz Europas.8

Neben Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen, zukunftsfähige Flüssiggasanlagen, Speichertechnologien und Stromnetze wird auch der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. Da sich Wasserstoff im Vergleich zu Strom auch in großen Mengen und über längere Entfernungen günstiger transportieren und saisonal speichern lässt, kann das die Netzstabilität erhöhen, die insgesamt erforderlichen Investitionen verringern, Energieträger besser diversifizieren und damit zur Versorgungssicherheit aus erneuerbaren Energieträgern einen wichtigen Beitrag leisten. Über ihre Beteiligungen im Energiebereich ist Allianz Capital Partners in mehreren Ländern in Projekten involviert, die sich mit der Produktion und der Einspeisung von Wasserstoff in bestehende Gasnetze oder Batteriespeicherlösungen beschäftigen, um die Energiewende voranzutreiben. Ende letzten Jahres hat sie etwa in das finnische Unternehmen Ren-Gas investiert, das sich darauf fokussiert, auf grünem Wasserstoff basierenden Treibstoff zu produzieren, um zur Dekarbonisierung des Transportsektors beizutragen.

Gerade europäische Versicherungs- und Pensionsunternehmen wie die Allianz, die die Altersvorsorge ihrer Kunden schon seit vielen Jahren unter anderem in alternativen Anlagen anlegt, stehen bereit, den Aufbau und die Weiterentwicklung moderner, nachhaltiger Infrastruktur und die Energiewende zu unterstützen. Neben ihrer Erfahrung bringen viele institutionelle Investoren einen langfristigen Anlagehorizont und ein hohes Maß an Verlässlichkeit mit, was insbesondere für den Zugang zu kritischer Infrastruktur und damit die Versorgungssicherheit von zentraler Bedeutung ist.

Und tatsächlich: Durch Deutschland geht gerade ein gewaltiger Ruck, um jetzt schnell die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Damit wir in 25 Jahren, im Jahr 2048, richtig unterwegs sind und hoffentlich nicht auf dem Abstellgleis stehen.

Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form 2022 in der Börsenzeitung veröffentlicht und im Februar 2023 aktualisiert

1 Bundesverband Alternative Investments, „BAI Investor Survey 2022“, Oktober 2022.
2 Preqin, „Future of Alternatives (…)“, November 2020.
3 Preqin, „Future of Alternatives (…)“, November 2020.
4 Ipsos/Global Infrastructur Investor Association, „Global Infrastructur Index 2021“, 2021.
5 OECD, „OECD Wirtschaftsberichte Deutschland“, Dezember 2022.
6 Europäischer Rechnungshof, „Ausbau der EU-Verkehrsinfrastruktur (…)“, November 2021.
7 Goldman Sachs, „The Postmodern Cycle (…)“, Mai 2022.
8 EUI Florence School of Regulation, „Fit for 55? …”, November 2021.

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