Die Woche voraus:
Markt-Update von Allianz Global Investors

Herbst der Entscheidungen
Der globale Nachrichtenfluss hat sich über die letzten Monate kaum beruhigt, auf den Kapitalmärkten allerdings konnte man jedoch Beruhigungstendenzen ausmachen. Beispielsweise zeigt der Volatilitätsindex VIX, ein Maß für die angenommene Schwankungsbreite der Gesamtheit US-amerikanischer Aktien, eine Beruhigung an, und auch der Volatilitätsindex für die US-Staatsanleihenmärkte konnte seinen Abwärtstrend in Richtung Beruhigung fortsetzen. Zumindest über den Sommer haben Anleger also damit angefangen, sich an die fortwährend unruhige geoökonomische Lage anzupassen. Ob dies im Übergang zum Herbst, der sich auf der Nordhalbkugel bereits bemerkbar macht, so bleibet, dürfte unter anderem von folgenden entscheidenden Fragen abhängen:
- Die US-Zollpolitik und ihre Folgen: Bisher hielten sich die Auswirkungen der US-Zollpolitik in Grenzen. Dies kann im Wesentlichen auf weise Voraussicht von Unternehmern und Konsumenten (in Form von Hamsterkäufen) und auf die kurz nach der Verkündigung der Zölle anberaumte Zollpause im Frühjahr zurückgeführt werden. Inzwischen haben sich jedoch die Zölle im Durchschnitt der betroffenen Länder auf einer höher als erwarteten „Flughöhe“ eingependelt und die Zolleinnahmen der USA sprudeln. Trotz derzeit solider Konjunkturdaten und gedämpfter Inflationsdynamik lässt dies für die nächsten Monate Preiserhöhungen und entsprechend ein abflauendes Konsumentenvertrauen erwarten. Zölle werden zum größten Teil an der Ladentheke bezahlt. Negative Folgen für Arbeitsmarkt und Wachstum sind ebenfalls zu erwarten. Interessante Wendung: Zuletzt wurde die gesetzliche Grundlage der Erhebung der sogenannten „reziproken“ Zölle sowie einiger anderer zusätzlich erhobenen Zölle gerichtlich angezweifelt. Es ist zu erwarten, dass sich der Oberste Gerichtshof der USA der Frage annimmt. Eine Entscheidung dazu wird vermutlich allerdings erst 2026 gefällt werden.
- Weichenstellungen bei der Federal Reserve (Fed): Zuletzt hat die Exekutive um US-Präsident Donald Trump versucht, ihren Einfluss auf die weltweit wichtigste Notenbank Federal Reserve (Fed) auszuweiten. Neben fortwährendem Druck auf die Zentralbank, die Zinsen zu senken, erfolgt dies auch über die Nachbesetzung von Stellen im Gouverneursrat der Fed. In einem Fall geht es dabei um eine erzwungene Nachbesetzung – die Rechtmäßigkeit des Rauswurfs einer Gouverneurin dürfte bald ebenso vor Gericht entschieden werden. Kämen die Anleihemärkte an einem bestimmten Punkt zu der Schlussfolgerung, dass die Fed ihre Zinsen nicht mehr unabhängig von der Regierung, also losgelöst von Konjunktur- und Inflationstrends bestimmt, könnte dies weitreichende Folgen nach sich ziehen. Im August ließ sich allerdings wenig Nervosität unter Anleihe-Investoren ausmachen, sie könnte aber jederzeit steigen. Dementsprechend war in den ersten Handelstagen des Septembers eine gewisse Unruhe an den Anleihemärkten zu beobachten.
- Europäischer Wachstumsausblick: Wichtige Frühindikatoren haben sich zuletzt überraschend positiv entwickelt. In Europa blickt man zwar durchaus besorgt auf die Effekte der US-Zollpolitik, gleichzeitig nähert sich schrittweise das Jahr 2026, für das erste stärkere Impulse des deutschen Fiskalstimulus erwartet werden. Ähnlich wie in den USA macht in einigen europäischen Ländern die Haushaltspolitik deutlich mehr Probleme. In Frankreich wird der Premierminister eine für Anfang September anberaumte Vertrauensabstimmung vermutlich verlieren. Ein neuer Premierminister dürfte allerdings ähnliche Probleme haben, die nötige Haushaltskonsolidierung zu beginnen. Der Präsident könnte auch eine Entscheidung für Neuwahlen treffen. Dies dürfte im Zweifel aber noch mehr Unsicherheit bedeuten. Auch in Großbritannien schauen Anleger genau, wie wachstumsschädigend die Sparpläne der Regierung ausfallen könnten.
Vor diesen Weichenstellungen haben sich Anleger im August erstaunlich gelassen gezeigt. Einige Aktienindizes haben sogar neue Höchststände markieren können. Besonders zuversichtlich schauen Anleger weiter auf das Themenfeld Künstliche Intelligenz und der dazugehörige Ausbau der Infrastruktur. Dies bedeutet eng angeführte Aktienmärkte, die von wenigen stark gewichteten Titeln dominiert werden. Globale Aktienindizes haben weiter ein hohes Gewicht in den USA und in Technologieaktien, beinhalten also ein historisch ungewöhnliches Klumpenrisiko. Falls sich die Anleger im September etwas weniger gelassen zeigen sollten, dürfte ein breit gestreutes Portfolio dafür besser gewappnet sein.
Unbehagen am langen Ende der Zinskurven:

Quelle: LSEG Datastream, AllianzGI Global Economics & Strategy, Stand: 03.09.2025
Die herannahenden Wochen voller Entscheidungen legen folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:
- Langfristig bleiben Aktien die bevorzugte Assetklasse. Einige gängige Aktienindizes beinhalten allerdings ein ungewöhnlich hohes Gewicht in den USA und im Technologie-Sektor, könnten also bei einem Rücksetzer in diesen Kategorien besonders leiden. Anleger sollten daher die Entwicklungen in den USA genau im Blick haben. Dazu gehört auch die Entwicklung des US-Dollars. Eine teilweise Absicherung des US-Dollar-Anteils in globalen Aktienportfolios erscheint eine Überlegung wert zu sein.
- Saisonal ist der September für ein volatiles Marktumfeld bekannt. Nach der Sommerpause kommt es immer wieder dazu, dass Investoren ihre Sicht auf aktuelle Fragestellungen nochmals überdenken. Vor dem Hintergrund des gestiegenen Risikoappetits kann eine solche Entwicklung auch in diesem Jahr nicht ausgeschlossen werden. Allerdings deuten Positionierungsstatistiken der Deutschen Bank nicht darauf hin, dass Anleger bis zum Anschlag Risikopositionen aufgebaut haben, was das Rückschlagspotential begrenzen könnte.
- Auch außerhalb der Vereinigten Staaten zeigen viele Aktienmärkte erfreuliches Momentum. Neben der Hoffnung auf Besserung in Europa setzten japanische Unternehmen ihren langfristigen Kurs zu mehr Profitabilität fort. Viele Schwellenländer erscheinen attraktiv bewertet und teilweise erscheint die politische Situation weniger krisenanfällig als in den etablierten Industrieländern.
- Der US-Dollar könnte mittelfristig weiter zur Schwäche neigen. Neben latenten Zweifeln am Status des US-Dollars als sicherer Hafen könnten auch anstehende Zinssenkungen der Fed ein Treiber sein.
- Im Lichte der in den letzten Tagen angestiegenen Renditen lohnt es sich, die Anleihemärkte im Blick zu behalten. Vor allem am langen Ende der Renditestrukturkurven lässt sich Unbehagen mit Blick auf die Staatsschulden ausmachen. Dies gilt sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Länder wie Frankreich und Großbritannien (siehe Grafik der Woche). Falls sich der Trend zu steigenden Renditen am langen Ende der Zinskurven fortsetzt, erhöht dies den Druck auf Regierungen zu sparen. Dies könnte zudem Rückkopplungen auf die Aktienmärkte auslösen.
- Die Rohstoffmärkte bleiben bewegt. Gold bleibt gefragt. Das globale Angebot an Öl scheint für die nächsten Monate höher als die Nachfrage zu liegen, außerhalb von Krisen könnte sich der Ölpreis also bestenfalls seitwärts entwickeln.
Gute Entscheidungen in den nächsten Wochen wünscht Ihnen
Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy