Bekämpfung des Klimawandels forcieren
Angesichts des Krieges, der Konjunkturverlangsamung und der deutlich steigenden Energiepreise rückten Nachhaltigkeitsbestrebungen in diesem Jahr tendenziell etwas in den Hintergrund. Die aktuellen Probleme dürften die Energiewende letztendlich ungeachtet der momentanen Schwierigkeiten beschleunigen und die Anleger dazu veranlassen, verstärkt auf Chancen im nachhaltigen Anlagesegment zu setzen.
Zentrale Punkte:
- Selbst wenn der Krieg in der Ukraine zu Rückschlägen bei der Energiewende führt, dürften diese von kurzer Dauer sein, da extreme Wetterereignisse gezeigt haben, wie ernst die Auswirkungen des Klimawandels sind
- Investitionen in saubere Energien sollten ansteigen, was Anlagemöglichkeiten in Unternehmen eröffnet, die die Energiewende ermöglichen oder davon profitieren
- In diesem Jahr hat sich gezeigt, wie eng die jeweiligen Wechselwirkungen zwischen Klimaschutz, Biodiversität und einer gerechten Energiewende sind und wie dringend es ist, gezielt positiven Einfluss zu nehmen
2022 war unter Klimagesichtspunkten ein außergewöhnliches Jahr, wobei der Druck der Ereignisse in widersprüchliche Richtungen zeigte. Auf die Warnung des Weltklimarats im April („jetzt oder nie“) folgte ein weiterer Sommer mit extremen Witterungsereignissen. Es lässt sich nicht verkennen, dass solche Ereignisse immer häufiger eintreten und immer schwerwiegender werden: Europa wurde von der schwersten Dürre seit Jahrhunderten heimgesucht, in Pakistan kam es zu katastrophalen Überschwemmungen, und in Europa und Indien wurden Rekordtemperaturen gemessen. Diese extremen Wetterereignisse verursachen nicht nur großes Leid, sondern bringen auch – wie zunehmend klar wird – beträchtliche finanzielle und wirtschaftliche Risiken mit sich.
Gleichzeitig rückte die Energiewende wegen des Kriegs in der Ukraine im Vergleich zu einer sicheren und erschwinglichen Energieversorgung in den Hintergrund. Dass Russland Europa den Energiehahn zudreht, hat zu unterschiedlichen politischen Reaktionen geführt. Die europäischen Länder importieren Flüssiggas (das doppelt so große Umweltauswirkungen hat wie Erdgas), nehmen Kohlekraftwerke wieder in Betrieb und steigern die Exploration und Förderung von fossilen Brennstoffen.
Der Rückschlag dürfte jedoch von kurzer Dauer sein. Inzwischen hat sich öffentlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der bisherige Energiemix mangelhaft ist, so dass 2023 eine J-Kurven-Reaktion eintreten könnte. Dies wiederum dürfte Programmen für erneuerbare Energien und der Entwicklung der erforderlichen Technologien einen zusätzlichen Schub geben, was aus Anlegersicht Chancen auf Investitionen in die entsprechenden Unternehmen und auf Gewinne bietet.
Der künftige Energiemix
Welche Probleme unser derzeitiger Energiemix mit sich bringt, liegt inzwischen offen zutage. Daher müssen sich die Regierungen auf den künftigen Energiemix einigen und in Bezug auf eine effektive Wende zusammenarbeiten. Verschiedene Industrieverbände haben sehr unterschiedliche Modelle erarbeitet, aber einige künftige Energietrends sind eindeutig:
- Der Anteil fossiler Brennstoffe am Energiemix muss von derzeit rund 80% auf 20 – 30% sinken
- Der Anteil erneuerbarer Energien muss sich von 15% auf 60 – 80% erhöhen
- Die meisten Modelle messen der Atomenergie auch künftig beträchtlichen Stellenwert bei; in einigen ist vorgesehen, dass sich ihr Anteil von rund 5% auf mindestens 10% erhöht
Wenn die Bedeutung von fossilen Brennstoffen sinken soll, muss der Kohle- und Ölverbrauch um bis zu 80% verringert werden. Der Anteil von Solar- und Windenergie muss sich dagegen im Vergleich zu 2020 verzwanzig- bzw. verzehnfachen und durch einen Ausbau von Wasserstofftechnologie, Bioenergie und CO2-Abscheidung und -speicherung unterstützt werden.
Vorreiter und Profiteure der Energiewende identifizieren
In den vergangenen Jahrzehnten wurde vor allem in Europa stetig zu wenig in die Energieinfrastruktur investiert. Im World Energy Transitions Outlook 2022 Report der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency, IRENA) wird der jährliche Investitionsbedarf bis 2030 auf 5,7 Billionen US-Dollar geschätzt.
Aus Anlegersicht ergeben sich aus dem prognostizierten Anstieg der Ausgaben für saubere Energien eventuell interessante Anlagemöglichkeiten in Unternehmen, die die Energiewende ermöglichen oder davon profitieren. Zu nennen wären Investitionen in einen veränderten Energieverbrauch oder in die künftige Nachfragedynamik – und das sind nur zwei mögliche Wege, um die Energiewende zu unterstützen.
Wir wollen Unternehmen identifizieren und analysieren und auch in sie investieren, die rund um die Welt Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg anbieten, von der Erzeugung sauberer Energien über effiziente Energiespeicherung bis hin zum nachhaltigen Energieverbrauch. So können wir einen Beitrag zu den ökologischen und sozialen Zielen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen leisten.
Manche Anlagemöglichkeiten stecken noch in den Kinderschuhen und benötigen Investitionen, um eine hinreichende Größe zu erreichen. Dazu gehören z.B. innovative Technologien wie eine wasserstoffbasierte Energieversorgung, neue Formen der Energiespeicherung und emissionsreduzierende Innovationen.
Dialog mit den Unternehmen
Gespräche mit dem Unternehmensmanagement sind notwendig, wenn man die Position, die Maßnahmen und die Ziele eines Unternehmens beim Thema Klimaschutz vollständig erfassen möchte – vor allem, wenn es noch am Anfang des Prozesses steht. Darüber hinaus sind jegliche Unternehmensaktivitäten vor dem Hintergrund der Länder zu sehen, in denen sie tätig sind. So kann ein übergreifendes Engagement im Rahmen von Industrieverbänden es ermöglichen, bei zahlreichen Stakeholdern gleichzeitig eine Wende anzustoßen.
Wir engagieren uns seit langem in den Unternehmen, in die wir investieren. Im Jahr 2021 entfielen über 20% unserer Dialoge mit Unternehmen auf Diskussionen über ökologische Themen, darunter den Klimawandel – und dieser Anteil dürfte sich künftig erhöhen.
Für uns ist es von zentraler Bedeutung, dass die Offenlegungen und Daten der Unternehmen auf echte Fortschritte hin zu Nullemissionen hindeuten. Anders ausgedrückt: Wir möchten Belege dafür sehen, dass das Unternehmen auf eine wirkliche Dekarbonisierung bzw. ein CO2-Profil hinarbeitet, das mit einer Klimaerwärmung um 1,5 Grad im Einklang steht. Da wir selbst ein Netto-Null-Emissionsziel verfolgen1 – ebenso wie unsere Muttergesellschaft, die Allianz2 –, haben wir unseren eigenen Ansatz bei diesem Thema verbessert und wollen ihn durch entsprechende Dialoge mit den Unternehmen ergänzen.
Rückenwind für die Energiewende
Uns ist durchaus klar, dass das Thema ESG mancherorts in den Hintergrund gerückt ist und geopolitische und wirtschaftliche Faktoren in den vergangenen Monaten Vorrang vor Klimaschutzmaßnahmen hatten. Wenn aber qualitativ hochwertige Maßnahmen in den Fokus rücken und das sehr reale Risiko, das mit einem Scheitern des Netto-Null-Ziels einhergeht, deutlich wird, sollte die Energiewende wieder einen verstärkten Schub bekommen. Zudem haben die Ereignisse dieses Jahres gezeigt, wie eng die Wechselwirkungen zwischen Klimaschutz, Biodiversität und einer gerechten Energiewende sind. Wenn Nachhaltigkeit sorgfältiger und genauer gemessen wird, lässt sich auch gezielt positiv Einfluss nehmen.
Kurz, das Thema Nachhaltigkeit musste 2022 seinen ersten wirklichen Test bestehen. Es hat durchaus Blessuren davongetragen, aber zum Jahresbeginn 2023 ist die Ausgangssituation günstig für eine glaubwürdige Wende. In allen Bereichen ist der Bedarf an Lösungen größer denn je, und zusammen mit unseren Kunden arbeiten wir daran, die Wege hin zu einer besseren Zukunft zu gestalten und die Wende zu schaffen.