Corona-Virus: Kein unmittelbares Ende der Unsicherheit

Zusammenfassung

Das Auftreten des Coronavirus und der jüngste Ölpreisschock haben die Sorgen um eine globale Rezession verstärkt. Das Virus sorgt für einen starken Rückgang der aggregierten Nachfrage und verursacht erhebliche Beeinträchtigungen auf der Angebotsseite. Hinzu kommt, dass der globale Konjunkturzyklus bereits vor dem Auftreten des Virus in seinem Spätstadium war und Anzeichen von Schwäche zeigte: So hat das schwache Gewinnwachstum der Unternehmen die Investitionen gedämpft und die private Binnennachfrage ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

  • Investoren werden nach dem besten Zeitpunkt für den Wiedereinstieg in den Markt suchen, aber es ist zu früh zu sagen, ob die Marktverwerfungen vorbei sind
  • Die Quantifizierung des Abwärtsrisikos ist schwierig: Wir wissen weder, wie weit oder wie schnell sich das Virus ausbreitet noch wie lange es dauern wird, es einzudämmen
  • Während die expansive Geld- und Finanzpolitik einen wirtschaftlichen Abschwung mildern kann, haben die Ereignisse der letzten Tage auch ihre Grenzen aufgezeigt
  • Die Bewertungen fangen an sich zu normalisieren1, aber sie haben noch keine nachhaltigen Kaufniveaus erreicht, wodurch die Marktvolatilität hoch bleibt
  • Die konjunkturellen Daten erfassen noch nicht den wirtschaftlichen Abwärtstrend, der Mitte Februar begonnen hat und dessen Talsohle noch nicht durchschritten ist - wir erwarten folglich, dass die Revisionen der Wachstums- und Gewinnprognosen den Preis von risikoreichen Assets belasten  werden2

Das Auftreten des Coronavirus und der jüngste Ölpreisschock haben die Sorgen um eine globale Rezession verstärkt. Das Virus sorgt für einen starken Rückgang der aggregierten Nachfrage und verursacht erhebliche Beeinträchtigungen auf der Angebotsseite. Hinzu kommt, dass der globale Konjunkturzyklus bereits vor dem Auftreten des Virus in seinem Spätstadium war und Anzeichen von Schwäche zeigte: So hat das schwache Gewinnwachstum der Unternehmen die Investitionen gedämpft und die private Binnennachfrage ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Am wichtigsten ist allerdings, dass sich durch das Virus das Risiko einer Kreditklemme und einer Finanzkrise erhöht, da die Weltwirtschaft zu einem Zeitpunkt vor einem Abschwung steht, an dem sich die globale Verschuldung wieder auf Rekordniveau befindet. In den letzten zehn Jahren ist der Verschuldungsgrad auf das Dreifache der globalen Wirtschaftsleistung gestiegen, was annähernd dem Niveau vor der Finanzkrise entspricht. Erheblich gestiegen ist die Verschuldung vor allem (aber nicht nur) in chinesischen und US-amerikanischen Unternehmen, allgemein auf staatlicher Ebene und im Finanzsektor der Schwellenländer. Seit 2008 war zudem außerhalb der USA eine Verdopplung der auf US-Dollar lautenden Schulden auf rund zwölf Billionen Dollar zu beobachten. In vielen Ländern, in denen die Verschuldung des privaten Sektors stark gestiegen ist, kam es auch zu einem Boom an den Immobilienmärkten.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Finanzakteure außerhalb des Bankensektors – ETFs, Publikumsfonds, Hedgefonds, Pensionsfonds, Versicherungen usw. – heute eine weit größere Rolle im Kreditsystem spielen, da die Banken aufgrund strengerer Regulierung im Anschluss an die Finanzkrise Marktanteile verloren haben. Über das tatsächliche Risiko-Exposure von Nicht-Banken ist wenig bekannt, dasselbe gilt für ihre Bereitschaft (oder Fähigkeit), als Käufer der letzten Instanz zu fungieren, oder das Ausmaß ihrer wechselseitigen Verflechtung. Hinzu kommt, dass diese Akteure keinen direkten Zugang zu Zentralbankgeld haben und einige von ihnen, insbesondere Hedgefonds, stark verschuldet sind. Die daraus resultierende Unsicherheit stellt eine Belastung für die Märkte dar.

Wir sind daher der Ansicht, dass das größere Risiko nicht im Bankensektor, sondern bei den Nicht-Banken im Finanzsystem sowie im Markt für US-Dollar-Finanzierungen liegt. Dafür sprechen die Turbulenzen bei einigen Hedgefonds und Banken in Großbritannien, Indien und in anderen Ländern. Die schlechte Kursentwicklung im Bankensektor resultiert aus dessen großem Kredit-Exposure gegenüber vielen der am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige – darunter die Bereiche Energie, Autoindustrie, Luftfahrt, Hotels, Handel und Tourismus.2

 

   Wie groß ist das Abwärtsrisiko für die Wirtschaft?2

Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum sind aus zwei Gründen derzeit schwer abzuschätzen: Erstens wissen wir nicht, wie schnell und wie weit sich das Coronavirus ausbreitet. Zweitens könnte ein Kreditereignis den Ausblick stark verändern. Nach Schätzungen der Brookings Institution und anderer externer Informationslieferanten lässt eine Pandemie mit einer Infektionsrate von 10 % einen Rückgang der globalen Wirtschaftsleistung um rund 1,5 % bis 2 % gegenüber dem Basisszenario erwarten. Würden sich 20 % der Bevölkerung anstecken, könnte das BIP-Wachstum um mehr als 5 % niedriger als im Basisszenario sein.

Zudem ist zu beobachten, dass sich das Virus zeitversetzt rund um den Globus ausbreitet. China war zuerst betroffen, dann Asien, anschließend Italien und der Iran, daraufhin Europa und jetzt auch die USA und Großbritannien. Es wird sehr schwierig sein, die ökonomischen, finanziellen und handelsbezogenen Wechselwirkungen innerhalb dieser Volkswirtschaften abzuschätzen– ganz abgesehen von der Frage, ob ihre Maßnahmen zur Eindämmung des Virus koordiniert erfolgen oder nicht.

 

   Gibt es derzeit attraktiv bewertete Marktsegmente?1,2

Was die Aktienbewertungen angeht, sind diese noch uneinheitlich. Auf Grundlage unserer Schätzungen beträgt das zyklisch adjustierte Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) in den USA derzeit rund 22. Im Zeitraum seit 1987 (als Alan Greenspan Chef der US-Notenbank wurde) lag es im Durchschnitt bei 25 und seit 1971 (dem Beginn des „Fiat Money“-Systems) bei rund 20. Beim Kurstiefstand im Jahr 2009 betrug es 12. Demnach erscheinen US-Aktien trotz des jüngsten Kurseinbruchs nach wie vor nicht sonderlich attraktiv bewertet.

Europäische Aktien notieren derzeit beim 15-fachen des zyklisch adjustierten Gewinns. Der Durchschnittswert seit den 1980er Jahren lag bei 20, während der Tiefstand im Jahr 2009 bei 10 erreicht wurde. Das zyklisch adjustierte KGV im japanischen Aktienindex TOPIX beträgt derzeit durchschnittlich 17. Damit liegt es annähernd auf dem gleichen niedrigen Stand wie 2012. Der MSCI Asia ex Japan Index (den wir als Näherungswert für die Schwellenländer verwenden) weist ein zyklisch adjustiertes KGV von 13 auf. Dem steht ein langfristiger Durchschnitt von 16 und ein Tiefstand von 10 im Jahr 2009 gegenüber. Wir glauben, dass die Gewinnerwartungen vor dem jüngsten Kurseinbruch unrealistisch hoch waren. Deshalb rechnen wir mit weiteren erheblichen Rückgängen in der Zukunft.

Staatsanleihen sind nach allen von uns verwendeten Kennzahlen extrem teuer. Die Spreads haben sich erheblich ausgeweitet und befinden sich je nach Land in der Nähe der Niveaus in den Jahren 2015 und 2016. Dennoch sind sie noch erheblich geringer als 2008/2009.

 

   Können Fiskal- und Geldpolitik den globalen Konjunkturzyklus und die Finanzmärkte stabilisieren?2

Wir begrüßen die jüngsten Schritte von Notenbanken und Regierungen zwecks Umsetzung von Stützungsmaßnahmen wie Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen. Eine expansive Geld- und Fiskalpolitik kann das Ausmaß des Wirtschaftsaufschwungs abmildern. Jedoch wurde in den letzten Tagen deutlich, dass es klare Grenzen für den Erfolg der Geld- und Fiskalpolitik gibt:

  • Das geldpolitische Instrumentarium ist weitgehend ausgeschöpft. Weltweit liegen die Zinsen nahe null und die Bilanzen der Zentralbanken sind infolge von Anleihenkäufen aufgebläht. Die Geldpolitik hat erheblich an Effektivität verloren, da die Sparquoten im privaten Sektor nach wie vor in der Nähe der Höchststände im Anschluss an die Finanzkrise liegen und der Bankensektor auf einem enormen Liquiditätspolster sitzt.
  • Liquiditätsspritzen der Notenbank können Liquiditätsschwierigkeiten beheben, sind aber für Solvenzprobleme ungenügend.
  • Wahrscheinlich braucht die Konjunktur einen größeren Fiskalimpuls, als politisch möglich und technisch machbar ist.
  • Weder die Fiskal- noch die Geldpolitik können Disruptionen auf der Angebotsseite beheben.

Aus unserer Sicht war eine der wichtigsten politischen Interventionen während der Finanzkrise von 2007-2009 die Rekapitalisierung des Finanzsektors, insbesondere das Troubled Asset Relief Program (TARP) in den USA. Doch selbst damals dauerte es fast ein halbes Jahr, bevor sich der Aktienmarkt wieder zu erholen begann. Ein ähnliches Programm für den Finanzsektor und speziell für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors wären heute angebracht.

 

   Zeit zum Wiedereinstieg in die Märkte?1,2

Es gibt typischerweise mehrere Indizien dafür, dass ein Bärenmarkt bei riskanten Anlagen zuende ist.
  • Erstens müssen die Bewertungen attraktiv sein. Zwar haben sich die Bewertungen normalisiert, befinden sich aber wie oben dargelegt noch nicht auf unübersehbarem Kaufniveau. 
  • Zweitens muss eine konjunkturstützende Geld- und Fiskalpolitik gegeben sein. Das ist derzeit zweifellos der Fall. Als eindeutig positiven Faktor würden wir fiskalpolitische Schritte ansehen, die auf die Rekapitalisierung des privaten Sektors abzielen. Die deutsche Regierung bewegt sich bereits in diese Richtung.
  • Drittens müssen sich die zyklischen Daten wieder aufwärtsbewegen und der Ertragsausblick muss sich aufhellen. Das ist eindeutig noch nicht geschehen. Die meisten zyklischen Daten spiegeln noch nicht einmal den Abwärtstrend der Wirtschaft wider, der Mitte Februar eingesetzt hat. Auch die Gewinnschätzungen sind bisher kaum nach unten revidiert worden. Da sich das Virus in einigen Ländern gerade erst auszubreiten beginnt, rechnen wir damit, dass der anhaltende Abwärtstrend bei den Daten und die Abwärtsrevisionen der Wachstums- und Gewinnerwartungen die Kurse riskanter Anlagen belasten.
  • Letztlich ist es noch zu früh, um festzustellen, dass eine finale Marktbereinigung stattgefunden hat. Es ist denkbar, dass sich die Märkte innerhalb eines breiten Bandes stark auf- und abwärts bewegen, bis die Anleger ein klares Bild der weiteren Entwicklung haben.

Insgesamt bleiben wir zum derzeitigen Zeitpunkt gegenüber riskanten Anlagen vorsichtig. Als aktive Manager sind wir allerdings stets auf der Suche nach Möglichkeiten, Mehrwert für die Portfolios unserer Kunden zu schaffen. In einer Phase einer breiten Abwärtsbewegung der Kurse wie derzeit können die Märkte durchaus nach unten übertreiben und die Bewertungen der Unternehmen auf Niveaus drücken, die nicht ihre tatsächlichen Geschäftsaussichten widerspiegeln. 

Wir wollen länder- und branchenübergreifend Ausschau nach Unternehmen halten, die letztlich von einer Erholung profitieren dürften, und streben den Ausbau unserer Positionen in diesen Titeln an, wenn es das Umfeld erlaubt.3

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1 Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse.
2 Soweit wir in diesem Dokument Prognosen oder Erwartungen äußern oder die Zukunft betreffende Aussagen machen, können diese Aussagen mit bekannten und unbekannten Risiken und Ungewissheiten verbunden sein. Die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können daher wesentlich von den geäußerten Erwartungen und Annahmen abweichen. Es besteht unsererseits keine Verpflichtung, Zukunftsaussagen zu aktualisieren.
3 Ein Erfolg der Strategie kann nicht garantiert und Verluste können nicht ausgeschlossen werden.

 

 

Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Investoren erhalten den investierten Betrag gegebenenfalls nicht in voller Höhe zurück. Die dargestellten Einschätzungen und Meinungen sind die des Herausgebers und/oder verbundener Unternehmen zum Veröffentlichungszeitpunkt und können sich – ohne Mitteilung darüber – ändern. Die verwendeten Daten stammen aus verschiedenen Quellen und wurden als korrekt und verlässlich bewertet, jedoch nicht unabhängig überprüft; ihre Vollständigkeit und Richtigkeit sind nicht garantiert. Es wird keine Haftung für direkte oder indirekte Schäden aus deren Verwendung übernommen, soweit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. Bestehende oder zukünftige Angebots- oder Vertragsbedingungen genießen Vorrang. Dies ist eine Marketingmitteilung herausgegeben von Allianz Global Investors GmbH, www.allianzgi.de, eine Kapitalverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, gegründet in Deutschland; Sitz: Bockenheimer Landstr. 42-44, 60323 Frankfurt/M., Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/M., HRB 9340; zugelassen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de). Die Vervielfältigung, Veröffentlichung sowie die Weitergabe des Inhalts in jedweder Form ist nicht gestattet; es sei denn dies wurde durch Allianz Global Investors GmbH explizit gestattet. # 1119022 | 20-1256 

Coronavirus und Anleihemärkte: Anleger sollten sich auf anhaltend niedrige Renditen und niedrige Erträge einstellen

Anleiheinvestoren sollten weiterhin niedrige Renditen und niedrige Renditen erwarten

Zusammenfassung

Anfang März erfasste die Furcht vor dem neuen Coronavirus die Märkte – und die ohnehin schon niedrigen Renditen von Staatsanleihen fielen auf Rekordtiefstände.
Angesichts der nahenden weltweiten Rezession werden Staatsanleihen unserer Ansicht nach vorerst weiterhin attraktiv bleiben, obwohl sie nur geringe Renditen bieten und ihre Kurse stark schwanken dürften.1,2 Global Economist Stefan Hofrichter gibt einen Blick auf die Märkte und erklärt, warum langfristig Anleihen mit Renditeaufschlag (Spreadprodukte) interessant sein dürften.

  • Der US-Leitzins (die Fed Funds Rate) dürfte unserer Ansicht nach niedrig bleiben und möglicherweise sogar noch weiter gesenkt werden, wird aber  voraussichtlich nicht negativ werden. Allerdings könnten die Marktrenditen von US-Staatsanleihen (Treasuries) auf unter Null gedrückt werden.2
  • Das Coronavirus erschwert Konjunkturprognosen zusätzlich. Eine weltweite Rezession erscheint aus unserer Sicht unausweichlich, weshalb die Anleger sich in relativ „sichere“ Staatsanleihen geflüchtet haben.2
  • Staatsanleihen sollten unserer Meinung nach in allernächster Zukunft attraktiver als Unternehmensanleihen und andere Anleihen mit Renditeaufschlägen („Spreadprodukte“); längerfristig ziehen wir jedoch Spreadprodukte vor.2,3

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