Der nächste Schritt der Notenbanken – gut oder schlecht für Anleger?

Zusammenfassung

In den letzten Jahren haben die Notenbanken für zuverlässige Unterstützung von Wirtschaft und Märkten gesorgt, indem sie die kurz- und langfristigen Zinsen auf historische Tiefstände gedrückt haben. Da die Leitzinsen vielerorts nahe null oder sogar darunter liegen, verlegen sich die Notenbanken zunehmend auf unkonventionelle Mittel, um ihre Ziele zu erreichen. Das kann sich erheblich auf die Renditen von Anleihen, Aktien, Immobilien und anderen Anlagegattungen auswirken.

  • Viele Notenbanken können ihre Leitzinsen kaum noch weiter senken. Daher nutzen sie verstärkt unkonventionelle geldpolitische Instrumente zur Erreichung ihrer Ziele – beispielsweise Anleihenkäufe („Quantitative Easing") und Hinweise zur künftigen Geldpolitik („Forward Guidance“).
  • Das hat dazu geführt, dass ertragsorientierte Investoren mit sehr niedrigen Renditen zu kämpfen haben. Aktienanlegern machen hohe Bewertungen zu schaffen und auch alternative Anlageklassen wie Infrastruktur und Immobilien werden zunehmend teuer. 
  • Die Notenbanken bewegen sich auf einem schmalen Grat: einerseits wollen sie nicht zu lang eine zu offensive Geldpolitik betreiben, andererseits wollen sie auch nicht durch vorzeitige Straffung einen erneuten Abschwung riskieren. 
  • Die Bedenken nehmen zu, inwieweit die Notenbanken den Konjunkturzyklus und die Finanzmärkte noch so wirksam beeinflussen können wie in der Vergangenheit. Wenn ihnen das nicht mehr gelingt, könnten ihre Entscheidungen für Anleger an Bedeutung verlieren. Noch ist es allerdings nicht so weit.

Nach mehreren Dekaden weltweit sehr niedriger Zinsen haben die Notenbanken fast keinen Spielraum mehr, um Inflation und Konjunktur mittels Zinssenkungen zu steuern. In Japan und im Euroraum liegen die Leitzinsen seit Jahren in der Nähe der Nulllinie oder darunter. Einige Marktbeobachter halten es für immer wahrscheinlicher, dass sich auch die US-Notenbank dieser Marke nähern wird.

Das Problem derart niedriger Leitzinsen besteht nicht nur darin, dass den Notenbanken beim nächsten Abschwung kaum noch Spielraum für weitere Zinssenkungen verbleibt. Gravierend ist auch, dass das niedrige Zinsniveau die Anleger dazu veranlasst, höhere Preise für auskömmliche Cashflows aus Anleihen, Aktien, Infrastruktur und anderen Anlagen zu zahlen.

 

 Welche Möglichkeiten hat die Geldpolitik noch?

Angesichts der sehr niedrigen Zinsen haben sich die Notenbanken zunehmend auf unkonventionelle geldpolitische Instrumente verlegt:

 

  • Wertpapierkäufe am Markt („Quantitative Easing”); dabei werden hauptsächlich Staatsanleihen erworben, um die Zinsen zu drücken und die Anleger zum Eingehen höherer Risiken zu animieren. Die Notenbanken können den Geschäftsbanken außerdem langfristige Liquidität zur Verfügung stellen, mit dem Ziel eines großzügigeren Kreditangebots. Das ist der Zweck der gezielten langfristigen Refinanzierungsoperationen der EZB (TLTRO)
 
  • Forward Guidance durch Ankündigung eines niedrigen Zinsniveaus bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder dem Eintreffen bestimmter Bedingungen.
 
  • Negative Zinsen, die das Sparen noch unattraktiver machen als ein Zinsniveau von null. 
 

 

 

"Wir rechnen damit, dass Anleger solche Instrumente im Kampf gegen die jüngste Konjunkturabschwächung und die rückläufigen Inflationserwartungen noch eine Weile begleiten oder dass sie im nächsten Aufschwung wieder eingeführt werden. 
Gleichzeitig bezweifeln wir, dass diese Instrumente ausreichend sein werden. Einige davon unterliegen Begrenzungen und fast alle haben erhebliche negative Nebenwirkungen."

 

Ein paar Beispiele:

  • Zu niedrige oder negative Zinsen beeinträchtigen die Profitabilität der Banken, da der Abstand zwischen Kredit- und Einlagenzins sinkt. Anders formuliert sind die Zinsen für die Vergabe von Krediten stärker gefallen als die Zinsen für Bankeinlagen – die sich einer „natürlichen“ Grenze von null angenähert haben. Das ist deshalb problematisch, weil ein schwacher Bankensektor entsprechend weniger Kredite an kleine Unternehmen und Privathaushalte vergeben kann, wodurch letztlich das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt wird.
  • Halten die Notenbanken einen hohen Anteil der Staatsanleihen in ihrem Einflussbereich, kann die Liquidität einiger Marktsegmente austrocknen.
  • Wenn die Notenbanken durch den Kauf von Staatsanleihen in die Finanzierung der Staatsausgaben involviert sind, ist ihre Unabhängigkeit in Gefahr. Dadurch könnte das Vertrauen in die jeweiligen Währungen unterminiert werden.

 

   Notenbanken auf der Suche nach weiteren Optionen

Angesichts der bestehenden Herausforderungen stellen etliche wichtige Notenbanken wie die EZB und die amerikanische Federal Reserve derzeit ihre Geldpolitik auf den Prüfstand. Die US-Notenbank wird ihre Ergebnisse voraussichtlich in der ersten Hälfte des laufenden Jahres bekannt geben.

Zu den Optionen, die die Notenbanken derzeit prüfen, gehört die Modifikation ihrer Inflationsziele. Damit soll der sich selbst erfüllenden Prophezeiung niedriger Inflationserwartungen entgegengewirkt werden. Wird allgemein davon ausgegangen, dass die Inflation unter den Erwartungen liegt, drückt das die Lohnforderungen der Arbeitnehmer und die Unternehmen heben ihre Preise nicht an. Dadurch kann die tatsächliche Inflation zurückgehen, was wiederum zu niedrigeren Nominalzinsen (Realzins plus Inflationsrate) führen würde. Dies ist deshalb problematisch, da bei immer niedrigeren Nominalzinsen das Ausgangsniveau für Zinssenkungen durch die Notenbanken im Fall eines Abschwungs ebenfalls immer weiter zurückgeht. Würde es den Notenbanken dagegen gelingen, die Inflationserwartungen zu stabilisieren oder sogar zu erhöhen, könnten sie die Nominalzinsen höher ansetzen, was ihnen wiederum beim Einsetzen des nächsten Aufschwungs mehr Spielraum für Zinsschritte nach unten verschafft.

Nachfolgend einige Überlegungen der Notenbanken bezüglich einer neuen Herangehensweise in punkto Inflation:

 

  • Bekanntgabe durchschnittlicher Inflationsziele. In diesem Szenario können die Notenbanken einen zeitweiligen Anstieg der Inflation über das Ziel hinaus hinnehmen, wenn die Inflation zuvor darunter lag (und umgekehrt). Maßgeblich wäre das durchschnittliche Inflationsniveau über einen vorab festgelegten Zeitraum. Dem Ansatz liegt die Hoffnung zugrunde, dass sich dadurch die Inflationserwartungen stabilisieren – was zur Vermeidung einer deflationären Spirale beitragen könnte. Wir halten dies für die glaubwürdigste Option der Notenbanken. Allerdings bleibt abzuwarten, ob es gelingt, die Inflation überschießen zu lassen. Die jüngeren Erfahrungen haben gezeigt, dass den Notenbanken bereits das Erreichen der jetzigen Inflationsziele schwerfällt.
 
  • Bekämpfung der Inflation durch mehr monetäre Anreize. Die Notenbanken könnten sich dazu entschließen, mehr zu tun, als nur ihre Kommunikation in Bezug auf die Inflationssignale zu ändern. Stattdessen könnten sie dem Phänomen der unter dem Zielwert liegenden Inflation durch zusätzliche monetäre Anreize entgegenwirken – speziell zur Mitte und am Ende des Konjunkturzyklus – um einen Ausgleich für die vorherige Verfehlung der Inflationsziels zu schaffen. Damit geht jedoch das Risiko übermäßiger Konjunkturanreize einher. Funktionieren würde dieser Ansatz wohl nur dann dauerhaft, wenn es den Notenbanken gelänge, die Inflation innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens zu erhöhen.
 
  • Wechsel zu Preisniveau-Zielen. Damit wären noch aggressivere geldpolitische Anreize für den Fall verbunden, dass das Preisniveau-Ziel verfehlt wird, da Preisniveau-Indizes im Zeitverlauf stetig steigen.
 
  • Anhebung des Inflationsziels. Würden die Notenbanken diesen Ansatz glaubwürdig verfolgen – und würde die Wirtschaft darauf beispielsweise durch Zahlung höherer Löhne reagieren – könnten die Notenbanken die nominalen Zinsen anheben. Jedoch sind wir der Ansicht, dass ein solches Vorgehen das Vertrauen in die Notenbanken schwächen kann, nicht zuletzt aufgrund von Zweifeln, dass die Notenbanken höhere Zielwerte tatsächlich erreichen. Zudem könnte damit eine fatale Spirale in Gang gesetzt werden. Werden die Inflationssignale erstmals angehoben, stellt sich nämlich die Frage, ob das nicht immer wieder geschehen kann. In diesem Fall könnte es zu einer unkontrollierbaren Inflationsentwicklung und einer erheblichen Abwertung der Währung eines Landes kommen.
 

 

   Gravierende Folgen anhaltend niedriger Zinsen für die Anleger möglich

  • Bleiben die Zinsen für längere Zeit auf außergewöhnlich niedrigem Niveau, wird die Renditejagd der Anleger anhalten. Angesichts niedriger Zinsen und hoher Kurse bei vielen Anleihegattungen können Anleger in diesen Segmenten auf Jahre hinaus von geringen Erträgen ausgehen und müssen dann gegebenenfalls höhere Risiken eingehen, um auskömmliche Renditen zu erzielen. 
  • Letztlich werden sich niedrige Zinsen auch auf die langfristigen Erträge in riskanteren Anlagegattungen auswirken, da diese ebenfalls einen aktuell minimalen oder negativen „risikofreien“ Basiszins enthalten. 
  • Je länger die Zinsen niedrig bleiben, desto höher wird die Nachfrage nach Anlagen mit verlässlichen Ertragsströmen wie Infrastruktur und Immobilien sein. Die Bewertungen in diesen Anlageklassen befinden sich bereits auf erhöhten Niveaus und könnten weiter steigen. 
  • An den Aktienmärkten begünstigen niedrige Zinsen (zur Diskontierung künftiger Gewinne) Titel mit langfristiger Wachstumscharakteristik sowie verlässliche Dividendenwerte. Da die Bewertungen in diesen Marktsegmenten jedoch bereits hoch sind, müssen Anleger die dort noch bestehenden Chancen sorgfältig analysieren. Dafür dürften aktive Manager die besseren Voraussetzungen haben.

 

   Bei überzogenen Maßnahmen droht Notenbanken ein Vertrauensverlust

Wird die dominierende Rolle der Geldpolitik irgendwann durch eine deutlich expansivere Fiskalpolitik abgelöst – also eine Kombination aus höheren Staatsausgaben und niedrigeren Steuern – könnten die Notenbanken aufgefordert werden, dies durch Ankauf von Staatsanleihen zu unterstützen. Im Zeitverlauf könnte dies zu beschleunigter Inflation sowie höheren Zinsen und Anleiherenditen führen. In diesem Szenario dürften Anleger wieder verstärkt kurzfristige Anleihen nachfragen und auf eine Renaissance von Value-Aktien hoffen

Setzen die Notenbanken beim Verfolgen ihrer Inflationsziele überzogene Konjunkturanreize, würden die Risiken für die Finanzstabilität zunehmen. Damit würden wahrscheinlich auch steigende Risikoprämien einhergehen, die Anleger für das Eingehen größerer Risiken in Bezug auf Bonität, Inflation, Duration, Liquidität und allgemein Volatilität kompensieren. Gleichzeitig würde die Renditejagd an Dynamik verlieren und das Ausmaß von den Anlegern erzwungenermaßen eingegangener Risiken könnte zutage treten. Die Fähigkeit weniger erfahrener Anleiheinvestoren zum Eingehen von Risiken könnte auf den Prüfstand gestellt werden. Eher illiquide Anleihegattungen könnten dann unter Druck geraten.

Würden die Notenbanken nach Einschätzung der Marktteilnehmer zu drastische Schritte unternehmen und dadurch ihre Glaubwürdigkeit verlieren, könnte eine Krisenwährung wie Gold starke Nachfrage auf sich ziehen. An diesem Punkt sind wir aber noch nicht.

 

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