Zins- und Zeitenwende meistern
Wendepunkt für die Märkte

Die Börsenkurse sind stark gefallen, da die neuen US-Zölle die Sorgen vor stagnierendem Wachstum, höherer Inflation und dem Ende des ökonomischen Konsenses aus drei Jahrzehnten wecken. Wie reagieren wir als Asset-Manager darauf?
Hauptbotschaften
- Der Verkaufsdruck an den Börsen in den letzten Tagen spiegelt die sich verschlechternden Aussichten für die Weltwirtschaft wider: Unserer Meinung nach könnte ein ausgewachsener Handelskrieg mittelfristig die globale Produktion um bis zu 5,5 % verringern und die Inflation um 1,5%- bis 3%-Punkte in die Höhe treiben.
- Das Risiko einer Rezession in den USA und einer möglichen Stagflation ist gestiegen. Unterdessen könnte die Eurozone mittel- bis langfristig von günstigen Faktoren profitieren.
- In China könnten die unmittelbaren Auswirkungen der US-Zölle das BIP um rund 2 % verringern. Noch größer könnte der Effekt sein, wenn die chinesische Regierung Gegenmaßnahmen ergreift.
- Wir halten Ausschau nach Gelegenheiten zum Wiedereinstieg bei Aktien aus Europa, wo das Risiko einer Stagflation weniger ausgeprägt ist.
Der „Liberation Day”on US-Präsident Donald Trump markierte einen Wendepunkt für das globale Wirtschafts- und Handelssystem. Die Ankündigung weitreichender Importzölle - zusätzlich zu früheren Zollerhöhungen - veranlasste die Anleger zu einer Neubewertung risikoreicher Assets. Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten in aller Welt waren die Folge. Der Rückgang des Hang Seng Index in Hongkonger am 7. April um 13 % war der stärkste Tagesrückgang seit der asiatischen Finanzkrise von 1997.
Anleger sehen sich nun mit der Gefahr eines ausgewachsenen Handelskriegs konfrontiert. Dieser könnte in Verbindung mit stagnierendem oder negativem Wachstum und steigender Inflation einen Regimewechsel in der Weltwirtschaft einleiten.
Nachfolgend betrachten wir einige der wichtigsten Trends in diesem schnelllebigen Umfeld:
1. Kurzfristige Kosten der Trumponomics sind im In- und Ausland spürbar
Donald Trumps wirtschaftlicher und politischer Ansatz kann als US-zentriert mit einer isolationistischen und selbstbewussten Haltung beschrieben werden. Die Ereignisse der letzten Tage deuten darauf hin, dass seine Politik sowohl für die USA als auch für den Rest der Welt kurzfristig erhebliche Kosten mit sich bringen, die Trump bei der Verfolgung seiner Ziele in Kauf zu nehmen bereit scheint. Für uns als Asset-Manager ist es bemerkenswert, dass er auch Turbulenzen an den Finanzmärkten zu akzeptieren scheint - was während seiner ersten Amtszeit nicht unbedingt der Fall war.
Die Auswirkungen des „Liberation Day” haben nicht nur die globale Unsicherheit in punkto Handelspolitik auf ein historisches Hoch steigen lassen, sondern auch die Erwartungen für die US-Verbraucherinflation in die Höhe getrieben und das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft geschwächt. Diese Auswirkungen dürften sich in den kommenden Quartalen noch verstärken und das BIP in den USA in Richtung Stagnation oder sogar Schrumpfung treiben. Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA innerhalb des nächsten Jahres auf 40-45 % ein. Dieser Wert könnte noch weiter steigen, wenn die hohen US-Zölle aufrechterhalten werden..
2. Zunehmende Furcht vor einer Eskalation des Handelskonflikts – und die Folgen für das globale Wachstum
Die Zölle der US-Regierung haben bereits zu Gegen- maßnahmen von Ländern wie China geführt. Sollte sich daraus ein ausgewachsener Handelskrieg ergeben, könnten die Kosten für das globale Wirtschaftswachstum beträchtlich sein. Wir schätzen, dass dann die globale Produktion mittelfristig um 1,7 % bis 5,5 % sinken und die Inflation um 1,5%- bis 3%-Punkte steigen könnte.1
Unser Basisszenario geht von einem uneinheitlichen und bestenfalls schwachen Wachstum in den einzelnen Ländern und Regionen aus, wobei das Risiko einer Rezession und eines erneuten Anstiegs der Inflation deutlich zunehmen würde. Ein weiteres Resultat wäre ein anhaltender Mangel an makroökonomischer Koordination auf globaler und nationaler Ebene.
Aus fundamentaler Sicht betrachten wir die jüngsten Ereignisse als ein Aufbrechen der globalen Wirtschafts- und Handelsordnung der letzten drei Jahrzehnte - oft als „Chimerica” oder „Bretton Woods 2”. bezeichnet. Donald Trump scheint auf eine Überarbeitung der globalen Finanzordnung abzuzielen, die bereits unter dem Namen „Mar-a-Lago Accord” diskutiert wurde. Daraus könnten sich weitreichende, disruptive Folgen und eine weitere Schwächung des US-Dollars ergeben.
3. Kurzfristig leidet Europa - längerfristig überwiegen aber positive Faktoren
Während die Eurozone zweifellos die negativen Auswirkungen des US-Protektionismus zu spüren bekommen wird, sind jüngste Entwicklungen innerhalb der Region ermutigender. Das betrifft nicht zuletzt die wachsende politische Offenheit für eine stärkere EU-weite Zusammenarbeit in vielen Bereichen. Teilweise ausgeglichen werden könnten die externen Risiken im Zeitverlauf durch Aussicht auf eine mittelfristige deutliche Erhöhung der staatlichen Investitionen in Deutschland, höhere Rüstungsausgaben in der gesamten Region, einen robusten Arbeitsmarkt und eine weitere Lockerung der Geldpolitik.
Darüber hinaus ist die Gefahr einer Stagflation im Euroraum weniger akut als in den USA. Der Euro wertet derzeit auf und sinkende Energiepreise sollten das Wachstum in der Region unterstützen. Ein möglicherweise aus China umgelenktes Überangebot an Gütern könnte den Verbrauchern in Form disinflationärer Effekte Entlastung verschaffen. Dieses Umfeld könnte die Europäische Zentralbank dazu veranlassen, die Zinsen weiter zu senken – speziell, wenn sich das Wirtschaftswachstum abschwächt und die Nachfrage an den Arbeitsmärkten deutlicher nachlässt.
Ungeachtet eines sich anbahnenden Handelskriegs und anhaltender struktureller Hemmnisse, die auf der Wirtschaft in Europa lasten, könnten sich also Gelegenheiten ergeben, zu günstigeren Kursen wieder Positionen einzugehen. Das gilt vor allem für längerfristig orientierte institutionelle Investoren, die in der europäischen Region deutlich untergewichtet waren.
4. China steht vor einem schwierigen Balanceakt
China ist eines der am stärksten von den US-Zöllen betroffenen Länder. Am ‚Liberation Day‘ kündigte Donald Trump Zölle in Höhe von 34 % auf Importe aus China an. Diese kommen zu den bereits Anfang des Jahres eingeführten zusätzlichen Zöllen von 20 % hinzu. Damit belaufen sich die zusätzlichen Zölle auf chinesische Einfuhren in diesem Jahr auf insgesamt 54 %. Dies ist nicht weit entfernt von den 60 %, die Trump in seiner Wahlkampagne angekündigt hatte. In der Vergangenheit gab es kaum einen Präzedenzfall für eine Zollerhöhung dieses Ausmaßes, und erste Schätzungen deuten darauf hin, dass sie allein auf das chinesische BIP um fast 2 % drücken könnten.
Aus unserer Sicht steht China bei der Anpassung seines Wirtschaftsmodells vor einem heiklen Balanceakt. Dabei geht das Land mittelfristig zu einem langsameren, aber wahrscheinlich nachhaltigeren Wachstum über.
Dem Erreichen des jährlichen Wachstumsziels, das erneut auft „rund 5%” festgesetzt wurde, kommt in China erhebliche Bedeutung zu. Das BIP-Ziel wurde in jedem der letzten 15 Jahre (außer während der Corona-Krise 2022) erreicht oder übertroffen. Mit Blick darauf sowohl die Geld- als auch die Finanzpolitik in China expansiv bleiben.
Blick nach vorne: diverse Risiken
Insgesamt ist die Weltwirtschaft mit einer Reihe von Abwärtsrisiken konfrontiert. Dazu gehören die Eskalation des Handelskonflikts, negative Folgen für das Arbeitskräfteangebot aufgrund einer restriktiven Einwanderungspolitik (insbesondere in den USA) und eine mangelnde Koordinierung der makroökonomischen Politik. Dadurch erhöht sich das Risiko fiskal- oder geldpolitischer Fehlentscheidungen.
Wie wir jedoch aus früheren Erfahrungen wissen, gibt es einen Kipppunkt, an dem die US-Notenbank eingreifen wird, um systemische Risiken zu vermeiden. So weit scheint es zwar noch nicht zu sein, doch deuten erste Anzeichen auf ein Umfeld hin, in dem die Zentralbanken die Finanzmärkte beruhigen wollen. Das könnte zumindest kurzfristig für eine gewisse Erleichterung sorgen.
In diesem Umfeld bleiben wir bei unserer vorsichtigen Haltung gegenüber den globalen Aktienmärkten und bevorzugen weiterhin europäische Börsentitel gegenüber solchen aus den USA, denn letztere sind stärker durch Gegenmaßnahmen und Stagflationsrisiken gefährdet.
In Europa bevorzugen wir britische Aktien, die weniger von den US-Zöllen betroffen sind und nach unserer Einschätzung attraktive defensive Eigenschaften aufweisen. Aktien aus der Schweiz sollten sich ebenfalls gut halten, obwohl wir im Blick behalten, ob die dortigen Pharmakonzerne in die Schusslinie der US-Regierung geraten.
Gleichzeitig haben wir die Positionen in Staatsanleihen aufgestockt, die weiterhin von Zollunsicherheiten profitieren dürften. Hierbei bevorzugen wir Papiere aus Europa gegenüber US-Treasuries. Hervorzuheben ist daneben, dass wir hochverzinsliche US-Anleihen noch stärker untergewichtet haben, da diese bereits hoch bewertet waren und bei anhaltend schwierigen Bedingungen anfällig für einen Rückgang der Liquidität sind. Was Währungen betrifft, so könnte der japanische Yen unserer Meinung nach weiterhin guten Schutz bei fallenden Kursen an den Märkten bieten.
In jedem Fall sollte sich die Diversifizierung für unsere breiteren Portfolios weiterhin bezahlt machen. Dabei bleibt Gold in einem angespannten geopolitischen Umfeld unseres Erachtens widerstandsfähig. Gleichzeitig haben sich Volatilitätsstrategien als gute Ergänzung erwiesen, um Prämien bei rasch steigenden Kursausschlägen zu erzielen.