#GreenGrowth: „Der nächste Kondratieff wird ein grüner sein“

Zusammenfassung

Fünf lange Wachstumszyklen lassen sich seit der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts feststellen, die jeweils von neuen Technologien ausgelöst wurden. Die spannende Frage ist jetzt: Was wird die nächste lange Welle prägen? Die neue, komplett überarbeitete Studie von Dr. Hans-Jörg Naumer liefert Analysen zu den Kondratieff-Wellen und Antworten, warum die nächste lange Welle eine grüne sein wird.

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Bei dieser Studie handelt es sich um eine komplett überarbeitete, erweiterte und vollständig aktualisierte Fassung unserer Publikation „Der 6. Kondratieff – Wohlstand in langen Wellen“ vom Januar 2010, die 2012 noch einmal überarbeitet als „Der grüne Kondratieff – oder warum Krisen gut sind“ erschien.
Mit den folgenden Zeilen erhalten Sie einen auszugsweisen Einblick. Die komplette Studie gibt es hier zum direkten Download als PDF:

 

„#GreenGrowth: Die grüne Welle des Wachstums“

#GreenGrowth: Die grüne Welle des Wachstums

Fünf lange Wachstumszyklen lassen sich seit der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts feststellen, die jeweils von neuen Technologien ausgelöst wurden. Die spannende Frage ist jetzt: Was wird die nächste lange Welle prägen? 

Gemäß des russischen Ökonomen Kondratieff und seiner Schüler lassen sich fünf lange Wachstumszyklen seit der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts feststellen: zunächst die von der Dampfmaschine ausgelöste Welle, auf welche Stahl und Eisenbahn als neue Technologie folgten. Diese wurden von Chemie und Elektrifizierung abgelöst, bevor sich Petrochemie und das Automobil durchsetzten. Die bisher letzte Welle wurde von Informationstechnologie und Kommunikation geprägt. 

 

Nach Kondratieff und Nefiodow lassen sich bisher 5 Kondratieff-Wellen unterscheiden: 

 

Kondratieffzyklen

1. Kondratieff

2. Kondratieff

3. Kondratieff

4. Kondratieff

5. Kondratieff

Periode

1780 bis 1830

1830 bis 1880

1880 bis 1930

1930 bis 1970

1970 bis ca. 2000

Erfindung

Dampfmaschine

Eisenbahn, Stahl

Elektrizität, Chemie

Automobil, Petrochemie

Informations-, Kommunikationstechnologie

Bedarfsfeld

Bekleidung

Massentransport 

Massenproduktion

Individuelle Mobilität

Information und Kommunikation

Quelle: L. A. Nefiodow, „Der Sechste Kondratieff“

 

Das Interessante dabei: Alle diese neuen Wachstumswellen wurden von Krisen gebrochen, bevor der nächste neue Aufschwung aus ihnen hervorging. Sei es die Panik von 1837, die Gründerkrise des späten 19. Jahrhunderts, die große Depression der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts oder auch die beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre. Die „schöpferische Zerstörung“, wie es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter ausdrückte, stand immer am Beginn des Neuen. 

  • Diese langen Wachstumszyklen, die von Nikolai Kondratieff1 erstmalig dargelegt und untersucht wurden, erforschten in jüngerer Zeit vor allem Leo A. Nefiodow2 und Erick Händeler3.

    Kondratieff-Wellen markieren Zeiten des technologischen Umbruchs. Diese erstrecken sich über lange, 40 bis 60 Jahre umfassende Aufschwünge, bevor sie sich in einem krisenhaften Abschwung entladen, um einem neuen Aufschwung Raum zu geben.

    Zusammenfassend ergeben sich fünf Kennzeichen, die eine Trendwende zu einem neuen Kondratieff-Zyklus einleiten.4

    1. Das Nutzungspotenzial alter Basisinnovation, die „aus einem Bündel eng vernetzter Technologien“5 bestehen, ist zunehmend erschöpft. Neue Erfindungen setzen sich, getrieben von einem neu entstehenden Bedarf, durch. Nach Kondratieff umfasst ein derartiger Zyklus einen Zeitraum von ca. 40 bis 60 Jahren (vgl. Tabelle).
    2. In der Endphase des Zyklus entsteht ein hoher Überschuss an „Finanzkapital“6 gegenüber dem langfristig ausgerichteten Realkapital. Es kommt zu Über- und Fehlinvestitionen, da das Finanzkapital keine rentierlichen Anlageformen mehr findet. Die (Real-)Renditen gehen zurück. Blasen bilden sich.
    3. Die auslaufende Welle endet in einer starken Rezessionsphase, bevor es zu einer neuen langen Welle des Wachstums kommt.
    4. Volkswirtschaftliche Engpässe werden durch neue Technologien gelöst. Die entstehende Nachfrage sorgt dafür, dass sich die Basisinnovationen durchsetzen.
    5. Begleitend zu der Ablösung alter und der Einführung neuer Basisinnovationen kommt es zu starken sozialen/institutionellen Veränderungen bis hin zu Unruhen und Umstürzen – man denke z. B. an das zeitliche Umfeld des Kommunistischen Manifests aus dem Jahr 1848 und seine Folgen.

Vom Anlagenotstand zur Innovation

Die Parallelen mit dem Heute sind kaum zu übersehen. Typischerweise wird das Ende eines Zyklus durch übertriebene Spekulationen, hohe Verschuldung und übermäßig aufgeblähte Vermögenspreisblasen herbeigeführt. Die dahinterstehende, nach Rendite suchende Liquidität fungiert aber gleichzeitig auch als Beschleuniger des Aufschwungs. 

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Carlota Perez weist darauf hin, dass es nicht nur neuer Technologien bedarf, sondern auch des „Finanzkapitals“, das bereit ist Risiken zu übernehmen und in diese Technologien zu investieren. Gemäß ihren Untersuchungen ergibt sich das ideale Umfeld gerade dann, wenn die Renditezuwächse bei Investitionen in alte Technologien sinken und die Risikobereitschaft besteht, in erwartet höher rentierliche, aber in diesem frühen Stadium auch risikoreichere neue Technologien zu investieren7.  Blasenbildung an den Kapitalmärkten und Krisen sind die Begleiterscheinungen. 

Nach der Aufschwungphase der neuen, langen Wachstumswelle, die von steigenden Renditen geprägt wird, wächst in der säkularen Abschwungphase die Kreditnachfrage langsamer. Und am Ende tendieren die (Real-)Zinsen gegen Null. Das war so bei der Panik von 1837, rund um die Zeit des Gründerkrachs 1873, bei der Weltwirtschaftskrise 1929 und den Ölkrisen 1974 sowie 19808. Genau diese Tendenz war auch in den zeitlich nah aufeinanderfolgenden Krisen, der Dotcom-Blase 2000 sowie der globalen Finanzkrise („Global Financial Crisis“) 2008 mit der anschließenden Euro-Schuldenkrise, zu beobachten. 

Negative Realzinsen herrschen aktuell ebenfalls in weiten Teilen der Welt vor. Erstmalig in der 5.000-jährigen Geschichte von Schulden und Sühne sind sogar die Nominalzinsen in Teilen der Welt negativ, wobei sich der negative Trend bei den Renditen bereits über die letzten Jahrzehnte hinzieht. 

  • Seit Jahren macht der Begriff „Savings Glut“ – Ersparnisüberhang – in den ökonomischen Debatten die Runde. 2005 sprach der damalige Chef der US-Zentralbank, Ben Bernanke, davon9. 2007 stellte die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) einen Überschuss der Bruttoersparnis gegenüber den Anlageinvestitionen fest.10 Zuvor hatte bereits der Internationale Währungsfonds (IWF) aufgezeigt, dass die Unternehmen in vielen Industrieländern seit dem Platzen der Aktienmarktblase Anfang der 2000er Jahre von der sonst üblichen Kreditaufnahme zur Finanzierung ihrer Investitionsausgaben zu laufenden finanziellen Überschüssen übergegangen seien, die sie nun an andere Wirtschaftssektoren verleihen würden.11 „Savings Glut“ – ein Phänomen, von dem schon Kondratieff 1928 mit Bezug auf den Rückgang des „Kapitalzinses“ schrieb.12

    Bei dem vorherrschenden Niedrig-/Negativzinsumfeld und den, in der Abfolge der Krisen der letzten Jahrzehnte (nicht zuletzt der Corona-Krise), expansiven Geldpolitiken der Zentralbanken ist Liquidität im Überfluss vorhanden. Zu erwarten ist dabei ein noch längeres Anhalten dieses Renditeumfelds. Für die Anleger heißt das: Die Jagd nach Kapitaleinkommen geht weiter.

    Zudem sind nicht nur in den Industriestaaten nachlassende Produktivitätszuwächse festzustellen, und dies seit Jahren. Eine Trendumkehr ist nicht erkennbar. Auch das ist ein Zeichen für das Ende einer langen Wachstumswelle. Die Produktivität der „Basisinnovationen“ erschöpft sich, neue Technologien müssen sich erst noch durchsetzen.13

    Gesellschaftliche Umbrüche, als weiteres Zeichen für das Ende einer Kondratieff-Welle, sind ebenfalls nicht zu verkennen. Am augenscheinlichsten mag sich dies im Populismus entladen, wohinter vor allem die Veränderungen an den Arbeitsmärkten stecken dürften.

    Die beiden MIT-Forscher Brynjolfsson und McAfee vertreten in „Das 2. Maschinenzeitalter“ die Auffassung, Realeinkommen wachsen in Zukunft nicht mehr zwangsläufig entlang der Produktivität, wie es noch im 1. Maschinenzeitalter, d. h. der Zeit vor der Digitalisierung, der Fall war.14 Der Ökonom David Autor weist für die OECD-Staaten nach, dass der Anteil der Bezieher mittlerer Einkommen kleiner geworden ist und dafür die unteren sowie oberen Einkommensgruppen wuchsen.15

    Frey und Osborne gehen in ihrer – nicht unumstrittenen – Analyse zur Entwicklung der Arbeitsmärkte davon aus, 47 % der Arbeitsplätze in den USA können durch Digitalisierung entfallen. Was nicht heißt, dass es zu einem Nettoverlust von 47 % der Stellen kommt. Denn sie berücksichtigen nicht, welche Tätigkeiten für die Arbeitnehmer neu entstehen werden.16 Aber gewaltige Umbrüche sind dies allzumal. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Debatte um die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen an Schärfe.

    Drei der fünf typischen Kennzeichen für das Ende eines langen Zyklus (sinkende Produktivität und Rentabilität der Basisinnovationen, Überhang des Finanzkapitals, soziale/institutionelle Veränderungen) scheinen damit erfüllt zu sein. Was aber wird den nächsten „Kondratieff“ als Basisinnovation prägen? Was ist der Engpassfaktor, der über die Nachfrage die Basisinnovationen treibt?

 
Von den Megatrends zum 6. Kondratieff

Wie die vergangenen Kondratieff-Wellen so wird auch die 6. Welle von den Knappheitsfaktoren vorangetrieben, welche die Basisinnovationen zur Entfaltung bringen. Bestimmend dafür sind die folgenden sich fortentwickelnden Megatrends, welche die Knappheiten bedingen.

  1. Die demografische Entwicklung: Die Weltbevölkerung wird älter und wächst weiter, wenn auch mit abnehmenden Raten.
  2. Die zunehmende Knappheit des Faktors „Umwelt“, Stichwort Klimawandel: Es muss global zu einer Aussöhnung von Ökologie und Ökonomie kommen. Noch lebt die Menschheit über ihre Verhältnisse, wie der Verbrauch an Bio-Kapazität und der CO2-Fußabdruck zeigen. Es geht um einen Übergang vom parasitären zum symbiotischen Wachstum, sollen die Ansprüche der nachkommenden Erdbewohner an ein menschenwürdiges Leben erfüllt werden.
  3. Die Digitalisierung: Diese drückt sich in einer zunehmenden Durchdringung von Robotern und künstlicher Intelligenz in der Produktion und auch im Alltag aus.
  • Demografie

    Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wächst die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 von aktuell ca. 7,5 Milliarden auf dann 10 Milliarden Menschen an. 2100 sollen es 11 Milliarden Erdbewohner sein. Immer mehr Menschen, die immer länger leben. Während sich die Wachstumsraten der Bevölkerungsentwicklung weiter abschwächen, wird die Menschheit älter.

    Mit der demografischen Entwicklung zusammen hängt die Urbanisierung. Selbst ein Megatrend. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass der Anteil der Weltbevölkerung, die in Städten lebt, von heute etwa 50 % auf rund 70 % bis 2050 steigen wird. Während die Bevölkerung in Europa bis 2100 um 120 Millionen zurückgehen dürfte, wird in Asien, Nord- und Südamerika Zuwachs erwartet. Zum stärksten Wachstum kommt es auf dem ärmsten Kontinent: Afrika. Dort, so prognostizieren die Vereinten Nationen, dürfte sich die Anzahl der Einwohner in den nächsten 80 Jahren verdreifachen. Gleichzeitig ist dort auch der Nachholbedarf am größten, wenn es um ein Aufschließen zum Wohlstand in der Welt geht.

    Ökologie

    Die Weltbevölkerung wächst. Die ärmeren Teile der Weltbevölkerung schließen in verschiedenen Bereichen zu den wohlhabenderen auf. Der Nachholbedarf äußerst sich in einem geänderten Nachfrageverhalten.

    Dabei wird durch den Klimawandel immer deutlicher: Auch „Umwelt“ ist eine Ressource. Eine immer knapper werdende noch dazu. Nach Berechnungen des „Global Footprint Network“ übertrifft der biologische Fußabdruck der Menschheit bereits seit den frühen 1970er-Jahren die jährlich neu zur Verfügung gestellte Biokapazität. Das heißt, wir leben längst von der Substanz. Aktuell verbrauchen wir das 1,7-Fache dessen an Biokapazität, was uns die Erde zur Verfügung stellt. Trend: weiter steigend.

    Auch der Kohlendioxid-Ausstoß ist trotz des Pariser Klimaabkommens von 2015 unbeeindruckt weiter gestiegen.17 Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) geht in seinem „Business-as-usual-Szenario“ von einer Erderwärmung von 3 bis 5 °C bis zum Jahr 2100 aus18. Das dürfte auch massive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben. Marshall Burke et al. erwarten einen Verlust der globalen Wirtschaftsleistung bis 2100 von ca. 25 %.19 Klima und Umwelt werden „disruptiert“. Der dritte Megatrend, der die Entwicklungen langfristig mit vorantreiben wird, ist die Digitalisierung, verbunden mit der künstlichen Intelligenz (KI). KI wird die Schlüsselrolle beim Übergang zum nachhaltigen Wachstum – dem „#GreenGrowth“ – zukommen.

#GreenGrowth: die grüne Welle des Wachstums

Diese Entwicklungen zeigen, der nächste Engpassfaktor, welcher den 6. Kondratieff antreibt, wird die Umgestaltung der Ökonomien auf nachhaltiges Wachstum sein. Spätestens mit dem Klimawandel ist deutlich geworden: Umwelt selbst ist ein knappes Gut und der Schlüsselfaktor für die Zukunft der Menschheit. Umwelttechnologie wird den Umgestaltungsprozess mittels Digitalisierung treiben. „Smart“ wird es zugehen.

  • Wenn ein Versandhändler in weniger als 24 Stunden einen bestellten Artikel ausliefert, dann ist das Logistik in Bestform. Bestellverhalten und Warenbestände werden aufeinander abgestimmt. Im weiteren Kontext geht es aber auch um den Verkehrsfluss.

    Wie lassen sich Staus vermeiden, öffentlicher Nahverkehr optimieren, Transportkapazitäten für Menschen und Güter besser auslasten, damit weniger Leerkapazitäten anfallen?

  • Der Ruf der Großstadt hat magische Anziehungskraft. Seit 2017 leben mehr Menschen in Städten als außerhalb. Verkehr klüger zu steuern heißt eine der Herausforderungen. Aber es geht um mehr. Um die Versorgung mit Energie und Gütern jeglicher Art.

    „Smart Cities“ bedeutet nicht nur hoch vernetzte Städte. Das heißt auch, in Städten selbst Energie zu produzieren, zu verteilen und zu verbrauchen, Gebäude also zu Mini-Kraftwerken für regenerative Energie zu machen.

    Nicht zuletzt sollen die Städte zu Grünzonen werden, da auf Gebäudedächern Nahrung wächst. Wer sagt denn, dass alles auf den Äckern vor der Stadt wachsen muss? Entstehung/Produktion dort, wo auch die Nachfrage ist. Das reduziert u. a. den Transport und damit auch den Energieverbrauch.

  • Diese „klugen“ Städte können zu wichtigen Knotenpunkten in „klugen“ Netzen werden. Zum Beispiel Netze der Stromversorgung. Wenn die regenerative Energie immer mehr zur Deckung des Energiebedarfs beiträgt, wird die Produktion von Energie ebenfalls immer dezentraler und auch schwieriger zu planen sein. Windenergie entsteht eben nicht dann, wenn sie gebraucht wird. Die Sonne mag nicht scheinen, auch wenn die Industrieproduktion unter Volldampf steht.

  • Auch die Landwirtschaft wird durch künstliche Intelligenz „klüger“, produktiver und ressourcenschonender. So sind bereits Drohnen im Einsatz, die große Felder überfliegen können. Sie erkennen, wo welcher Schädlingsbefall vorliegt. Diese können dann punktgenau bekämpft werden. Reduktion der Spritzmittel: 90 %. Die Satelliten gestützte Bewässerung ermöglicht gezielte Wasserzufuhr. Trockene Stellen werden aus größter Höhe erkannt.

Bei allem ist Künstliche Intelligenz der Treiber der Innovationen. Sie gehört zu dem Netz an Basisinnovationen, die die neue lange Welle treiben werden.

Investitionsbedarf: enorm

Der Kapitalbedarf allein für die Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung ist enorm. Die International Renewable Energy Agency (IRENA; Internationale Agentur für erneuerbare Energien) schätzt, dass für ihr „Transforming Energy Scenario“ (TES) ein Investitionsbedarf von insgesamt 60 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2030 besteht. Das TES der IRENA beschreibt den Entwicklungspfad der globalen Energieerzeugung und -verteilung, der es ermöglicht den globalen Temperaturanstieg während dieses Jahrhunderts unter 2 °C und nahe bei 1,5 °C zu halten. Dafür wäre die fast vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien notwendig, bei gleichzeitigen Effizienzsteigerungen.

  • Soweit die weltweite Umstellung der Energieproduktion und Versorgung.

    Auch die Europäische Union (EU) hat große Pläne. 175 bis 270 Milliarden Euro p. a., das ist nach Schätzungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) der Investitionsbedarf, um allein in der EU bis 2030 drei Klima- und Energieziele zu erreichen: Reduktion der CO2-Emissionen um 40 % vom Stand 1990 aus gemessen; Energieeinsparungen um ein Drittel des heutigen Verbrauchs in einem „Business-as-usual-Szenario“; Bedarfsdeckung des Energieverbrauchs zu mindestens 32 % aus erneuerbaren Energien.20 Mit ihrem Klimaplan vom September 2020 hat die EU-Kommission ihre Ziele noch weiter verschärft. Die CO2-Emissionen sollen jetzt bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 reduziert werden.

    Die Vereinten Nationen gehen global von einem jährlichen Investitionsbedarf von 5 bis 7 Billionen US-Dollar aus, um bis zum Jahr 2030 die 17 „Ziele für nachhaltige Entwicklung“ („Sustainable Development Goals“) zu erfüllen.21 Dabei handelt es sich sowohl um den Bedarf an öffentlichen als auch an privaten Investitionen.
    Mit ihrem „Green New Deal“ als Antwort auf die konjunkturellen Folgen der Corona-Pandemie setzt die Europäische Union nun noch eins drauf. Bis 2050 sollen in der EU keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden. Das Wirtschaftswachstum soll vom Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden. Es gilt, die Biodiversität wiederherzustellen. Eine Billion Euro wurden dafür bis 2030 in den EU-Haushalt eingestellt.

#FinanceForFuture

Eine Menge Geld. Aber dieses Investitionsvolumen zu erreichen, scheint nicht aus der Welt zu sein. Zum Vergleich: Die 2.372 Unterzeichner (Stand: Sommer 2019) der PRI-Initiative („Principles for Responsible Investment“) verwalten zusammen 83 Billionen US-Dollar. Sie alle haben sich verpflichtet, ihren Investitionsentscheidungen die ESG-Kriterien zu Grunde zu legen. Das Akronym ESG steht für „Environmental“ (Umwelt), „Social“ (Gesellschaft), „Governance“ (Unternehmensführung). Es kann als Bindeglied zwischen den auf Nachhaltigkeit bezogenen Unternehmenskriterien und der Anlageentscheidung verstanden werden.

ESG durchzieht auch die einzelnen Investmentstile rund um die Nachhaltigkeit und ist mittlerweile im „Mainstream“ der Kriterien für Anlageentscheidungen angekommen. Dabei stellt sich schon längst nicht mehr die Frage, wie viel es denn an Rendite kosten darf, „Gutes“ zu tun. Es scheint erwiesen, dass die Integration von ESG-Kriterien in die Anlageentscheidung die Performance nicht verschlechtert22, sondern eher noch verbessert – und außerdem einen Beitrag zur Risikoreduktion leisten kann.

Auch die Finanzierungsmöglichkeiten werden mehr und mehr auf den ökonomisch-ökologischen Wandel umgestellt. Ein noch junges, aber durchaus schon erfolgreiches Beispiel sind die sogenannten „Green Bonds“. „Grüne Anleihen“, deren Emission zur Finanzierung von umweltfreundlichen Projekten dient.

Eine der jüngeren Emissionen der Bundesrepublik Deutschland zeigt, wie aufnahmefähig der Kapitalmarkt dafür ist. Die Bundesfinanzagentur hat im September 2020 ihre erste grüne Bundesanleihe emittiert und folgte damit anderen Staaten wie Schweden, Frankreich, Belgien, Irland, den Niederlanden und Polen. Das Interesse an dem Papier mit zehnjähriger Laufzeit und einem Gesamtvolumen von 6,5 Milliarden Euro war enorm: Mit Geboten von über 33 Milliarden Euro war es mehrfach überzeichnet.

Die Umwelt selbst ist ein knappes Gut geworden. Sie kann nicht mehr kostenlos verbraucht werden – das hätte ohnehin nie geschehen dürfen. Der Klimawandel ist der finale, unüberhörbare Wake-up-Call für diese ökologische Wahrheit. Der Handlungsdruck, der von ihm ausgeht, wird die Wirtschaft in nahezu allen Bereichen verändern und in eine neue Wachstumsphase führen.

Dieses Wachstum wird anders sein als das bisherige. Gerade der Umstieg auf erneuerbare Energien zeigt: Wachstum wird weniger verbrauchend als vielmehr regenerierend.23 Stichwort: Nachhaltigkeit.

Noch weiter über den Tellerrand hinausgeblickt: Mit Bezug auf unseren Planeten Erde verändert sich Wachstum vom parasitären zum symbiotischen. Die Basistechnologien für diesen Wandel (namentlich die Künstliche Intelligenz als Treiber), wie sie Kondratieff einfordern würde, sind größtenteils bereits vorhanden. Es geht um „#GrünesWachstum – #GreenGrowth“.

Der nächste Kondratieff wird ein grüner sein, und er hat bereits begonnen.

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Die komplette Studie hier zum direkten Download

 

 

 

Der russische Ökonom Nikolai Kondratieff (auch „Kondratjew“) wurde am Ende des dritten von ihm entdeckten Zyklus von Stalin im Jahr 1938 ermordet. Seine grundlegende Schrift „The Long Waves in Economic Life“ wurde im November 1935 in „The Review of Economics and Statistics” (Vol. 17, Nummer 6) veröffentlicht. Eine kommentierte, deutsche Fassung seiner beiden zentralen Schriften zu den langen Wellen findet sich in: Händeler, Erik; „Die langen Wellen der Konjunktur“; Marlon-Verlag Moers; 2013.
Die in der Tabelle verwendete zeitliche Abgrenzung der Kondratieff-Zyklen geht zurück auf Nefiodow, Leo A.; „Der sechste Kondratieff“; 6. Aufl.; 2006.
Vgl. Händeler, Erick; „Die Geschichte der Zukunft“; 7. Aufl.; 2009.
Siehe zu den Vorgenannten auch: Perez, Carlota; „Great Surges of Development and Alternative Forms of Globalization“; 2007.
Nefiodow, Leo A.; 2006; S. 16.
Perez, Carlota; 2007.
Vgl. Nefiodow, Leo A.; 2006 w.o.; Perez, Carlota; „Great Surges of Development and Alternative Forms of Globalization“; 2007.
Vgl. Händeler, Erick; „Die Geschichte der Zukunft“; 7. Aufl.; 2009.
Bernanke, Ben S.; „The Global Saving Glut and the U.S. Current Account Deficit"; The Federal Reserve Board; 2005.
10 OECD; „Corporate saving and investment: recent trends and prospects”; in: „OECD Economic Outlook No. 82 (Edition 2007/2)”; 2007.
11 Cardarelli, Roberto; Ueda, Kenichi; „Awash with cash: why are corporate savings so high?”; 2006.
12 Kondratieff, Nikolai; „Die Preisdynamik der industriellen und landwirtschaftlichen Waren in England und in den Vereinigten Staaten 1786 bis 1924“; Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik; 60 (1928); S. 1–85.
13 Vgl. dazu Erber, Georg; Fritsche, Ulrich; Harms, Patrick Christian; „The Global Productivity Slowdown: Diagnosis, Causes and Remedies”; Intereconomics; 2017; Nr. 1; sowie World Bank Group; „Global Productivity: Trends, Drivers, and Policies”; 2020.
14 Brynjolfsson Eric; MacAfee, Andrew; „The Second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies”; 2015. Vgl. dazu auch Südekum, Jens; „Der Aufstieg der Roboter am deutschen Arbeitsmarkt“ und Freeman, Richard B.; „Employee and Citizen Ownership of Business Capital in the Age of AI Robots”; beide in: Beyer, Heinrich; Naumer, Hans-Jörg; „CSR und Mitarbeiterbeteiligung”; Springer Gabler; 2018.
15 Autor, David H.; „Why are there still so many jobs? The history and future of workplace automation”; Journal of Economic Perspectives; 2015; Vol. 29, S.3–30.
16 Frey, Carl B.; Osborne, Michael A.; ; „The Future of Employment: How susceptible are Jobs to Computerisation?”; Technological Forecasting and Social Change; Vol. 114; Januar 2017; S. 254–280.
17 NASA Global Climate Change; https://climate.nasa.gov/vital-signs/carbon-dioxide; zuletzt geprüft am 7. August 2019.
18 IPCC projection „business as usual”; „Detection and Attribution of Climate Change: from Global to Regional”; Scenario RCP8.5; 2018.
19 Burke, Marshall; Hsiang, Solomon M.; Miguel, Edward; „Global non-linear effect of temperature on economic production"; Nature; Nr. 527, S. 235 - 239; 2015.
20 European Investment Bank; „Restoring EU competitiveness. 2016 updated version”; zuletzt geprüft am 13. August 2019.
21 United Nations Conference on Trade and Development; „World Investment Report 2014 – Investing in the SDGs: An Action Plan”.
22 Vgl. Friede, Gunnar; Busch, Timo; Bassen, Alexander; „ESG and financial performance. Aggregated evidence from more than 2000 empirical studies"; in: Journal of Sustainable Finance & Investment; 5. Jg. (2015), H. 4, S. 210–233.
23 Ein empfehlenswertes Buch zu diesem Thema ist u. a. „Faktor Fünf“ von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Karlson Hargroves und Michael Smith aus dem Jahr 2010. Die Autoren gehen dort ebenfalls auf den grünen Kondratieff ein. 

 

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