Stewardship-Serie: Führungskräfte-Vergütung im US-Technologiesektor

Mann mit Tasche

Zusammenfassung

Viele börsennotierte US-Technologieunternehmen werden immer noch von ihren Gründern geleitet, die zudem häufig hohe Beteiligungen oder sogar die Mehrheit an diesen Unternehmen halten. Dies kann Fragen in Bezug auf die Vergütungspolitik dieser Unternehmen aufwerfen. Unabhängig von der Eigentümerstruktur werden die Bedenken noch verstärkt, wenn Führungs- und Aufsichtsgremien – das Board – die Erwartungen der Aktionäre nicht erfüllen, was in schlechten Abstimmungsergebnissen bei Hauptversammlungen (HVs) zum Ausdruck kommen kann. Daher müssen aktive Investoren ihre Interessen im direkten Dialog mit dem Board vertreten.

Zusammenfassung:

  • Unabhängig von der Eigentümerstruktur der Unternehmen ist eine klare Abstimmung der Interessen des Managements und der Aktionäre unerlässlich.
  • Wir sehen ein erhöhtes Risiko, dass Governance-Defizite in gründergeführten Tech-Unternehmen zur Einführung von Vergütungssystemen führen, die nicht dem von uns angestrebten Interessengleichlauf entsprechen.
  • Eine geringe Zustimmung in der Konsultativabstimmung über den Vergütungsbericht ist ein Governance-Warnsignal und hat in einigen Fällen zu einer unterdurchschnittlichen Wertentwicklung der Aktie des betreffenden Unternehmens geführt.
  • Kontroversen um die Führungskräftevergütung können das Arbeitgeberimage schädigen. Für Technologieunternehmen, die sich einem wettbewerbsintensiven Arbeitsmarkt gegenübersehen, ist dies ein wesentlicher Risikofaktor.
  • Durch ein gezieltes Engagement können aktive Investoren bessere Einblicke in die Vergütungsstrukturen der Unternehmen und die damit verknüpften Ziele erhalten.
  • Wo Fragen unbeantwortet bleiben, führen wir den konstruktiv-kritischen Dialog mit den Unternehmen fort und wirken auf positive Veränderungen hin.

Kritisch beleuchtet: die Vergütung von Führungskräften im US-Technologiesektor

In der diesjährigen HV-Saison in den USA kam es in vermehrten Fällen zur Ablehnung der Vergütungsberichte der Unternehmen durch die Aktionäre in der Konsultativabstimmung. Untersuchungen zufolge stimmten die Aktionäre bei 2,6% der HV-Abstimmungen zu Vergütungsthemen gegen das Management – 2020 waren es 2,1%1.

Viele dieser Missfallensäußerungen betrafen Technologieunternehmen. Wir betrachten diese Ereignisse als Warnhinweise, die in einigen Fällen von einer unterdurchschnittlichen Kursentwicklung gefolgt waren. Das ist wenig verwunderlich: Wenn die Unternehmensführung die Erwartungen der größten Aktionäre des Unternehmens nicht kennt, liegt die Vermutung nahe, dass es noch weitere Governance-Defizite gibt.

Chart: Say-on-pay failure rate increased in 2021
Quelle: ISS Governance – 2021 Proxy season review, United States compensation

Der Ansatz, den wir bei Allianz Global Investors in Bezug auf die Führungskräftevergütung verfolgen, richtet sich an unserer Corporate-Governance-Richtlinie aus2 . Die grundlegende Prämisse ist, dass Struktur und Höhe der Führungskräftevergütung so gestaltet sein sollten, dass sie den langfristigen Unternehmenserfolg fördern. Dies setzt voraus, dass das Board die Erwartungen der Aktionäre stets im Blick hat. Unsere Corporate-Governance-Richtlinie führt auf, welche Themen die Führungs- und Aufsichtsgremien der Unternehmen – einschließlich des Vergütungsausschusses – berücksichtigen sollten, zum Beispiel eine aktienbasierte Vergütungskomponente, um die Interessen von Management und Aktionären in Einklang zu bringen. Wir unterstützen langfristige Anreizpläne, die ehrgeizige mehrjährige Ziele setzen und überdurchschnittliche Leistungen fördern.

Von Governance-Richtlinien zur Führungspraxis

Der Aktienmarkt in den USA wird stärker von großen institutionellen Investoren dominiert als in anderen Regionen3. Interessanterweise weist er auch die am wenigsten konzentrierte Eigentümerstruktur unter den OECD-Volkswirtschaften auf, da die Unternehmensanteile in der Regel breiter gestreut sind. Daher lässt sich unser Ansatz ohne Weiteres auf den US-Aktienmarkt übertragen.

In diesem Zusammenhang stellt der US-Technologiesektor jedoch eine Ausnahme dar. In dieser Branche, die sich erst über die letzten Jahrzehnte herausgebildet hat, werden viele Unternehmen immer noch von ihren Gründern geführt. Die Gründer vieler jüngerer Tech-Unternehmen, die an die Börse gegangen sind, halten weiterhin die Mehrheit der Anteile und Stimmrechte an ihren Unternehmen4. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Technologiesektor deutlich von anderen Branchen, in denen die Gründer von Unternehmen mit ehemals konzentrierten Eigentümerstrukturen (z.B. Unternehmen, die sich über mehrere Generationen im Familienbesitz befanden) keine bedeutenden Aktionäre mehr sind.

Ein Interessengleichlauf in gründergeführten Unternehmen ist nicht garantiert

Uns ist klar, dass Gründer eine wichtige Rolle für den Investment Case eines Unternehmens spielen können. Von Gründern geführte oder kontrollierte Unternehmen sind jedoch mit einer Vielzahl von Governance-Risiken konfrontiert, die von verzerrten Kontroll- und Eigentumsstrukturen bis hin zu Fragen der Ausgewogenheit und Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat bzw. Board reichen. Eine auffällige Folge kann sein, dass die Vergütungs- und langfristigen Anreizstrukturen nicht für eine ausreichende Abstimmung der Interessen des Managements mit denen der Minderheitsaktionäre sorgen.

Ein Interessengleichlauf zwischen Management und Aktionären lässt sich nicht nur über die Vergütung erreichen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Aufsichtsrat bzw. das Board als Teil eines Systems gegenseitiger Kontrollen, um Machtmissbrauch durch den CEO und das Management zu verhindern und diese für ihre Leistung zur Verantwortung zu ziehen. Daher ist die Effektivität des Aufsichtsrats oder Boards ein weiterer Aspekt, den wir bei der Bewertung der Führungskräftevergütung mit in Betracht ziehen. Um zu ermitteln, wie robust der Vergütungsprozess ist, prüfen wir beispielsweise, ob der Aufsichtsrat bzw. das Board – und insbesondere der Vergütungsausschuss – über ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit verfügen.

Wir wenden unsere globale Corporate-Governance-Richtlinie in allen Fällen gleich an und wirken unabhängig von der Eigentümerstruktur auf eine klare Abstimmung der Interessen von Management und Aktionären hin. Ad-hoc-Analysen, die uns vor Kurzem zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Teilsegmenten des Technologiesektors gibt. So erhalten einige Gründer-CEOs eine Vergütung, die der ihrer Peers entspricht, während es in anderen Fällen erhebliche Abweichungen gibt. Eine wichtige Erwägung für uns als Anleger ist, inwieweit sich die Leistung des Managements in der Kursentwicklung widerspiegelt.

Unsere bisherigen Erfahrungen deuten nicht auf einen Zusammenhang zwischen den Vergütungsstrukturen und einem unzureichenden Interessengleichlauf zwischen der Unternehmensführung und den Aktionären hin. Es gibt kein besonderes Merkmal der Vergütungsstrukturen gründergeführter Unternehmen, das einen unzureichenden Interessengleichlauf in diesen Unternehmen wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich macht. Einige Gründer-CEOs lassen sich unter Marktniveau bezahlen oder verzichten sogar auf eine Vergütung, was signalisiert, dass sie sich in erster Linie als Aktionäre des Unternehmens sehen. In anderen Fällen stellen wir fest, dass die Vergütung der Gründer dem Marktniveau entspricht oder dieses – zum Teil deutlich – übersteigt.

In Fällen, in denen wir Fragen zur Abstimmung der Interessen von Management und Aktionären haben, können wir uns daher für ein direktes Engagement mit dem Board entscheiden, um ein besseres und detaillierteres Verständnis der Vergütungsstrukturen und ihrer Leistungsorientierung zu erlangen. Die Ergebnisse dieses Engagement-Prozesses können ein ausschlaggebender Faktor dafür sein, ob wir den Abstimmungsempfehlungen der Unternehmensleitung zur Vergütung entsprechen.

Engagement für mehr Detailkenntnis

Ein gut konzipiertes Führungskräftevergütungssystem sollte die Ausrichtung des Managements auf die Interessen der Aktionäre sowie – an zweiter Stelle – der wichtigsten anderen Stakeholder des Unternehmens unterstützen5. Bei gründergeführten Unternehmen ist der Gründer häufig ein Großaktionär oder kontrollierender Gesellschafter. Wenn wir die Angemessenheit der Vergütung oder Vergütungsstrukturen in Frage stellen, initiieren wir einen Dialog mit dem Board, um ein besseres Verständnis für die Gründe und die langfristige Strategie hinter den Vergütungsplänen zu erlangen.

Als aktiver Asset Manager legen wir großen Wert darauf, zwischen hohen Vergütungsniveaus und einer unausgewogenen Vergütungsstruktur zu unterscheiden. Wir haben kein Problem mit einer hohen Vergütung, wenn ein Unternehmen gute Ergebnisse erzielt hat und wir der Meinung sind, dass es mit seiner Strategie langfristig gut aufgestellt ist. Im Rahmen unserer Engagement-Aktivitäten gibt es mehrere Bereiche, die wir regelmäßig untersuchen, um Erkenntnisse zu gewinnen, die unsere Analyse der veröffentlichten Unternehmensberichte ergänzen. Dazu gehören:

  • Die Gründe für die Vergütungspolitik oder bestimmte Entscheidungen des Vergütungsausschusses.
  • Die Frage, ob sich die Führungskräftevergütung im Einklang mit der Vergütung der Belegschaft entwickelt, da dies Einblicke in die Organisation und Hinweise auf potenzielle interne Reibungspunkte geben kann.
  • Die Sicht des Boards auf das soziale Profil des Unternehmens. Verfolgt das Unternehmen einen inklusiven Ansatz in Bezug auf die Einbeziehung aller Stakeholder (z.B. Mitarbeiter, Kunden, lokale externe Interessengruppen)?
  • Die Frage, inwieweit das Management die Ansichten und Rückmeldungen der Aktionäre und Stakeholder ernst nimmt und adressiert: Wie regelmäßig, umfassend und effektiv ist die Ansprache?

Engagement für positive Veränderungen

Wenn die Antworten auf unsere Fragen Risikofaktoren oder Verbesserungsbedarf aufzeigen, setzen wir den Dialog mit dem Unternehmen fort und konzentrieren uns dabei speziell auf diese Themen. Unsere Corporate-Governance-Richtlinie beschreibt die von uns bevorzugten Governance-Strukturen, insbesondere bei Unternehmen mit einer großen Zahl institutioneller Anteilseigner, die von professionellen Managern mit kleinen Beteiligungen geführt werden. Wir tauschen uns mit den Managementteams darüber aus, wie sie ihre Vergütungsstrukturen anpassen könnten, um diese besser mit unseren Leitlinien in Einklang zu bringen. In Bezug auf die Gestaltung langfristiger Anreizsysteme können wir darauf hinwirken, dass die Unternehmen6:

  • den Einsatz von Aktienoptionen reduzieren – Im Gegensatz zu langfristigen Beteiligungen oder Strategien können diese einen asymmetrischen und verzerrten Anreiz darstellen. Ihr Wert ist zwar an eine Aufwärtsbewegung des Aktienkurses geknüpft. Ihr wirtschaftlicher Wert erhöht sich jedoch schneller als der Aktienkurs. Kritisch zu sehen ist zudem die Tatsache, dass die Empfänger von Aktienoptionen nur profitieren können, während Aktionäre auch Verluste erleiden können,
  • sich ehrgeizigere Performanceziele setzen – Eine hohe Vergütung sollte nur dann gezahlt werden, wenn eine überdurchschnittliche Performance im Vergleich zu anderen Unternehmen oder gegenüber den Erwartungen erzielt wird, und nicht für eine ganz normale Geschäftsentwicklung,
  • Aktienzuteilungen, die nicht an Leistungskriterien oder Schwellenwerte gebunden sind, kürzen oder abschaffen,
  • eine Leistungsbeurteilung über Zeiträume von weniger als drei Jahren vermeiden.

Fazit: Wir werden unser Engagement mit Technologieunternehmen verstärken

Wir haben den Technologiesektor als Segment des US-Marktes identifiziert, in dem wir Bedarf für eine Verbesserung der Vergütungsstrukturen sehen, und werden uns mit mehreren Unternehmen, in die wir investieren, weiter intensiv zu diesem Thema austauschen. Wir werden diesen Engagement-Prozess nutzen, um unsere Erwartungen klar darzulegen und deutlich zu machen, auf welcher Grundlage wir in der nächsten HV-Saison abstimmen werden.

1 ISS Governance – 2021 Proxy Season Review United States Compensation
2 Verfügbar auf www.allianzgi.com
3 OECD „Owners of the World’s Listed Companies“, verfügbar auf www.oecd.org
4 CFA Institute „Dual-Class shares: the good, the bad, and the ugly“
5 Zunehmend spielen auch Stakeholder-Überlegungen eine Rolle. Bestimmte Aspekte der Vergütung stehen zum Beispiel im Zusammenhang mit Fragen des inklusiven Kapitalismus. Dazu gehören Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern oder Angehörigen unterschiedlicher ethnischer Gruppen.
6 Dies ist eine unvollständige Liste, die sich auf typische Unzulänglichkeiten langfristiger Anreize konzentriert. Einen vollständigen Überblick über unsere Erwartungen finden Sie in unserer globalen Corporate-Governance-Richtlinie.

Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Investoren erhalten den investierten Betrag gegebenenfalls nicht in voller Höhe zurück. Soweit wir in diesem Dokument Prognosen oder Erwartungen äußern oder die Zukunft betreffende Aussagen machen, können diese Aussagen mit bekannten und unbekannten Risiken und Ungewissheiten verbunden sein. Die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können daher wesentlich von den geäußerten Erwartungen und Annahmen abweichen. Es besteht unsererseits keine Verpflichtung, Zukunftsaussagen zu aktualisieren. Die dargestellten Einschätzungen und Meinungen sind die des Herausgebers und/oder verbundener Unternehmen zum Veröffentlichungszeitpunkt und können sich – ohne Mitteilung darüber – ändern. Die verwendeten Daten stammen aus verschiedenen Quellen und wurden zum Veröffentlichungszeitpunkt als korrekt und verlässlich bewertet. Bestehende oder zukünftige Angebots- oder Vertragsbedingungen genießen Vorrang. Die Verwaltungsgesellschaft kann beschließen, die für den Vertrieb ihrer Organismen für gemeinsame Anlagen getroffenen Vereinbarungen im Einklang mit den geltenden Vorschriften für die Beendigung der Notifizierung zu beenden. Dies ist eine Marketingmitteilung herausgegeben von Allianz Global Investors GmbH, www.allianzgi.de, eine Kapitalverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, gegründet in Deutschland; Sitz: Bockenheimer Landstr. 42-44, 60323 Frankfurt/M., Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/M., HRB 9340; zugelassen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de). Eine Zusammenfassung der Anlegerrechte finden Sie hier (www.regulatory.allianzgi.com)
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CO2-Kompensation: Debatte über ihre Rolle auf dem Weg zur Netto-Null

Grüne Lunge - CO2-Kompensation

Zusammenfassung

Auf dem jüngsten Klimagipfel, COP26, haben sich Politiker und Aktivisten eine heftige Debatte über die CO2-Kompensation geliefert. Derartige Diskussionen sind wichtig, um einige der wahrgenommenen Mängel zu beheben. Lesen Sie mehr über den aktuellen Status der CO2-Kompensation und wie wir bei Allianz Global Investors damit umgehen.

Zusammenfassung

  • Die CO2-Kompensation ermöglicht es Regierungen und Unternehmen, ihre CO2-Emissionen auszugleichen, und kann verpflichtend sein.
  • Durch die zunehmenden Bekenntnisse zum Ziel „Netto-Null-Emissionen“ boomt der freiwillige CO2-Ausgleich: Schätzungen zufolge wird dieser Markt 2021 ein Volumen von über 1 Milliarde US-Dollar erreichen.
  • Die Debatte über die Stärkung der CO2-Kompensationssysteme ist wichtig, weil diese immer wieder als „Lizenz zur Umweltverschmutzung“ kritisiert werden, da sie es den Unternehmen ermöglichen, sich nur auf die Reduktion ihrer Netto- und nicht ihrer Bruttoemissionen zu konzentrieren.
  • Auf der COP26 wurde ein Regelwerk für die CO2-Märkte vereinbart. Das ist ein wichtiger Schritt im Reifungsprozess der sich schnell entwickelnden Industrie für Treibhausgasminderungen.

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